#06 Liebeskummer – gefesselt von Emotionen

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Dass eine Domina auch ab und zu als Seelenklempner und Spezialist für Liebeskummer dient, ist mir nach einer geraumen Zeit schon bewusst geworden. Immer wieder kommt es vor, dass man die persönlichen Geschichten erfährt und dass eigentlich die Session oder die eigentliche Motivation so ein bisschen in den Hintergrund rückt, warum Gäste zu uns gekommen sind.

Manchmal ist es so, dass man zwar sein Programm durchzieht, aber eigentlich merkt, dass es gerade eher um das seelische Befinden des Gastes gehen sollte. Ganz unverhofft passiert es dann, dass sich dieses Gefühl nach einer viertel Stunde bestätigt, dass er mit dem Kopf nicht irgendwie dabei ist. Dann spricht man ihn drauf an und fragt, ob alles o. k. sei und dann bricht es aus dem ein oder anderen heraus. Frei nach dem Motto: Ich habe drauf gewartet, dass du mich das fragst.

2 Fälle von Liebeskummer an einem Tag

Heute ist es gleich zweimal passiert, dass Gäste eigentlich andere Dinge im Kopf hatten. Für mich war es sehr komisch, weil ich mich heute selbst ganz komisch fühle. Manchmal steht man auf, hat ein unwohles Gefühl und fragt sich selbst, was eigentlich los sei. Irgendwie ist nichts los, aber doch irgendwie wohl was. Man weiß überhaupt nicht, wo das auf einmal herkommt. Gestern war alles gut. Man ist ins Bett gegangen, es ist Wochenende und man konnte länger schlafen und eigentlich ist alles gut. Ich dachte mir: hat man ja ab und zu mal, daher alles ok. Jetzt ist es Abend und ich fühle mich immer noch so. Nur sind jetzt die beiden Gäste noch dazu gekommen. Denn ganz plötzlich wurde die ganz normale Session jeweils auf spezielle Art und Weise wirklich intim. Nicht im körperlichen Sinne, sondern auf ganz besondere psychologische Weise.

Was beschäftigt dich?

Der erste Gast kam spontan und meinte ganz salopp, dass wir „mal was starten sollten“. In dem Fall meinte er etwas mit einem Strap on und das eine Stunde lang. Eine Stunde mit einem Strap on behandelt werden, ist schon sportlich. Für mich im wahrsten Sinne und für ihn auf andere Weise. Es sollte auf jeden Fall eine sehr ausgedehnte Session werden. Da er sehr locker drauf zu sein schien, starteten wir die Session einfach mal, um zu sehen, wie umfangreich sie werden wird. Aber dennoch kam mir eine Frage in den Sinn: Stimmt es mit der Chemie hier zwischen uns nicht? Oder ist er aus anderen Gründen mit dem Kopf gerade nicht bei mir?

Selbst im Alltag merkt man es ja manchmal: ist jemand gerade beim Gespräch mit dem Kopf überhaupt anwesend? Und so war es bei ihm auch. Der körperliche Teil ging auch viel zu schnell vorbei und ich fühlte, dass da eine Art Mauer zwischen und ist. Ok, manchmal passt es zwischenmenschlich einfach nicht und dann muss man das akzeptieren und das Beste draus machen. Eine viertel Stunde war vorbei und wir hatten noch 45 Minuten vor uns. Ich hatte mich wieder akklimatisiert und wusste nicht genau wohin mit mir und was ich sagen soll. Und auf einmal gucke er mich an und sagte, es tue ihm leid, dass er nicht so ganz dabei sei, aber seine Freundin habe sich letzte Woche von ihm getrennt.

Liebeskummer

Mitleid einer Domina bei Liebskummer

Man muss sich vorstellen: 51 Jahre war er, ein gestandener Typ, trainiert und wohlhabend. Und ich weiß nicht warum, aber auf einmal war plötzlich so eine totale Sympathie da. Nicht, weil ich Mitleid mit ihm hatte. Allein weil er auf einmal anfing sich zu öffnen. Er fing an zu erzählen und berichtete mir von seiner Sehnsucht nach Berührung. Warum auch immer bat ich ihn sich hinzulegen und während er mir sein Herz ausschüttete, krabbelte und streichelte ich ihn am ganzen Körper.

Die restliche dreiviertel Stunde erzählte er mir, was da los ist, was passiert ist und wie er sich fühlt.

Ich sollte einfach zuhören

Meine Präsenz war zwar in dominanter Umgebung da, zumal wir in einem Latex-Zimmer waren, wo einfach alles Domina ist. Aber er wollte einfach nur, dass ich ihm zuhöre. Und auf einmal war alles in Ordnung. All die Bedenken, die ich vorher hatte: was ist mit ihm, was ist mit mir, was ist mit uns, was ist hier los? Alle waren weg und alles war gut. Das war ein Moment, indem ich mir nochmal bewusstwurde, warum ich das hier gerade so gerne mache. Alleine wegen der Geschichten, die die Leute mitbringen.

Denn die sind weit mehr als rein sexueller Natur. Es steckt so viel dahinter. Selbst wenn manche durch einen Besuch im Dominastudio vor manchen Dingen flüchten wollen, ist es doch umso schöner, wenn sie dadurch auch einfach mal etwas loswerden können – auch Liebeskummer. Und in manchen Belangen kann man das mit Fremden ja sogar besser und anders, als mit den Liebsten.

Diese Session hat mir noch mehr gezeigt, dass ich gerade den richtigen Weg gehe und dass mich dieser Weg erst bis hierhin gebracht hat. So langsam weiß ich, warum ich meinem Herzenswunsch nachgegangen bin und doch noch ein psychologisches Studium abgeschlossen habe. Menschen erzählen mir ihre Geschichten und ich höre zu. Ich versuche zu helfen, sei es mit meinen eigenen Geschichten und Erfahrungen als auch mit meinem Psychologie-Studium. Gerade in diesem Kontext verbinden sich so viele Teile: die sexuelle Fantasie mit der Psyche.

Wie kommt denn ein Mensch darauf, wenn man Herzschmerz und Liebeskummer hat, in ein Domina-Studio zu gehen? Das ist ja schon sehr interessant. Natürlich fielen die Worte Ablenkung, Bestätigung, Manneskraft zeigen. Aber dass dieser harte, dominante Mann dann auf einmal ganz weich wird und merkt, dass er auch nur ein Mensch sei das war schon schön zu beobachten. Die Dame ist hier jetzt gerade da, und es fühlt sich gut an. Also öffne ich mich und lasse mich fallen. Für diese Begegnung war ich sehr dankbar.

Und dass heute eine zweite, ähnliche und doch ganz andere Situation zustande kam, da hätte ich im Leben nicht mit gerechnet. Ich erfahre immer viele Geschichten, Motivationen und auch die Gründe, die hinter dem stecken: warum die Gäste diesen oder jenen Fetisch oder jede Vorliebe ausleben, aber selten so extrem, dass die Session in den Hintergrund rückt und man eigentlich nur die ganze Zeit quatscht oder demjenigen eine Schulter bietet. Und die Schulter zu bieten war dann in der zweiten Session angesagt.

Es war eigentlich völlig anders abgesprochen, als es später endete.

Hast du mal ein Ohr für mich? Von Liebeskummer zu Panikattacke

Ganz anderes Szenario: Fixierung, aber so richtig hart mit Halsband und Aufhängen, Maske, und Knebel, und Handschellen, und Keuschheitsgürtel. Volles Programm. Dann auch einsperren im Kerker und nur ab und zu reinkommen, bisschen ärgern, bisschen triezen, bisschen schlagen. Das sollte die Session werden. Ich habe mich sehr darauf gefreut, weil man sowas dann doch eher selten hat.

Und wenn es um Thema Sinnesentzug geht, wird es erst recht spannend, weil man sich da auf vielerlei Hinsicht nicht mitteilen kann, sondern nur fixiert drauf ist, auf seine körperlichen Anzeichen zu hören. Heute war es auf viele Weisen interessant, denn er konnte ja nur zentral fühlen, weil er überall gefesselt war. Er konnte nicht sprechen, weil er geknebelt war. Er konnte nicht sehen, weil er eine Augenmaske hatte. Also schlicht und ergreifend war er auf seine Ohren angewiesen. Genau das war auch das, was ihn so gepackt hat. Er wollte geknebelt, gequält werden auf brutale Weise, mit Ohrfeigen.

Und gleichzeitig war es ihm total wichtig zu hören, dass ich da bin.

Positive Herausforderung für mich. Ich habe eine riesige Verantwortung für den Gast, da er ja selber bewegungsunfähig ist. Wer weiß, wie das entartet? Es hätte jetzt auch einfach eine Fantasie sein können – diese Bitte, dass das irgendwie in seinen Film gerade mit einspielt. Aber es könnte ja auch richtig mit Panik zu tun haben. Und dem war dann auch so. Sobald er mich nicht gehört hat, oder ich ihm nicht gezeigt habe, dass ich im Raum bin, wurde er nervös, rief nach mir, bettelte mich an ihn loszumachen. Er hat mir auf jeden Fall authentisch rübergebracht, dass er dann wirklich Panik bekommt. Für mich war es eine Gratwanderung: Ist da sein Ernst? Warum macht er das dann?

Aber ich habe es ihm geglaubt und fand es wahnsinnig aufregend ihn mit seinem inneren Kampf zu beobachten und ein Teil davon zu sein. Sich der Angst, der Panik zu stellen, Platzangst, Angst davor, nicht mehr atmen zu können. Durch die Fixierung war es sehr sehr mutig diesen Film zu drehen. Denn wenn der Kopf einmal anfängt, gilt es in sich zu gehen und sich genau zu beobachten. Jeder, der mit Ängsten oder Panikattacken zu tu hat, der weiß was ich meine. Ich habe es am Anfang unterschätzt. Ich habe mich vom Rollenspiel leiten lassen und gedacht: auf der einen Seite will er das ja so. Immer fester, fester, fester. Aber dann will er mir irgendwie erzählen, dass er Platzangst hat? Das konnte ich ihm in dieser extremen Form nicht so ganz glauben. Er wirkte zwar authentisch, aber nicht in diesem Ausmaß. Ich testete ihn, indem ich die Tür zuschlug und keinen Laut mehr von mir gab.

Und dann kam die Panikattacke

Das ganze Spiel wurde beendet. Man muss bedenken, dass die eigentliche Fantasie war, ihn als verurteilter Vergewaltiger zu behandeln. Die Polizei hat ihn in den Kerker gebracht, und ich soll jetzt dafür sorgen, dass er das nie wieder tut (an dieser Stelle sei erwähnt, dass Rollenspiele eine große Rolle in diesem Kontext spielen – die Inhalte sind teilweise schon grenzwertig und hinterfragbar, aber das steht in einem anderen Drehbuch).

Diese Eckdaten rücken in solchen Fällen ganz schnell in den Hintergrund. Denn plötzlich stand ich vor ihm und musste ihm die ganze Zeit sagen, dass ich da bin, dass er atmen, sich auf seinen Atem konzentrieren und fühlen soll, wo die Angst gerade ist. Plötzlich ging es nicht nur darum, dass er die Angst besiegt, dass er nicht dem ersten Impuls nachgeht und die Augenmaske abgenommen bekommt, nur weil der Kopf jetzt sagt: Hilfe, Hilfe. Von jetzt auf gleich ging es darum beieinander zu sein, nicht alleine zu sein und die Situation gemeinsam zu meistern.

Er sagte ganz oft, dass solange er merke, dass ich da sei, alles in Ordnung sei. Seinen Kopf in meinen Arm zu legen, hat ihm geholfen – mich einfach nur fühlen. Am Ende haben wir eine Art Therapie draus gemacht, indem ich mit im Kerker bleib, die Tür zu mache, mit ihm redete, auf ihn einredete. Nicht im Sinne von was wir tun sollen, sondern ihn daran erinnern zu atmen, zu fühlen, was gerade passiert, wo das Gefühl ist, dann dort reinatmen. Das, was man auch vom Yoga und vom Buddhismus kennt.

Liebeskummer loswerden

Rollenspiel mal anders

Und plötzlich war ich auf einmal in einer völlig anderen Rolle und es ging nicht mehr darum das Programm abzuspielen, so wie abgesprochen. Ja, ich habe das auch weiterhin gemacht. Aber jetzt nicht mehr so streng, sondern eher in Richtung: ich bin da, du kannst dich fallen lassen, fühl die Angst. Alles, was irgendwie dazu gehört. Das war für mich auch wieder sehr spannend, weil es das erste Mal war, wo ich mich auch mit richtigen Panikattacken und Ängsten beschäftigen musste. Konfrontation und Therapie zugleich. Ähnlich wie deim Gast Liebeskummer. Bei meinem Kommilitonen, der unter einer Spinnenphobie litt und dessen Geschichte ich auch noch erzähle werde, war es damals anders.

Als wir seine Phobie in der Klasse nachgeahmt haben, war sie nicht wirklich da und alles war imaginär. Und jetzt war es wirklich gerade live und in Farbe. Es gab ihn, es gab mich, es gab die Situation, und es gab die Stunde. Auch da war am Ende alles o. k., alles super. Wir haben es dann sogar hinbekommen, dass er die Augenmaske aufgelassen hat, selbst wenn dann so ein Impuls kam. Alles war vertraut auf einmal. Er hat mir das auch immer wieder gezeigt und gesagt, indem er mehr und mehr entspannter wurde. Der Körper zitterte nicht mehr so, er atmete ruhiger und flacher.

Nähe und Distanz zwischen Domina und Gast

Nachdem er mich fragte, ob er darf, nahm er mich in den Arm. Nähe zwischen Domina und Gast wurde neu definiert und der Liebeskummer rückte in den Hintergrund.

Man konnte richtig sehen, welcher Druck von ihm abgelassen war. Allein dadurch, dass er seinen Ängsten widerstehen konnte. Am Ende sagte er nur noch, er müsse jetzt nach Hause ins Bett, weil er so müde sei.

Zwei ganz unterschiedliche Begegnungen, zwei ganz unterschiedliche Geschichten und zwei ähnliche Motivationen: sich seinen Ängsten stellen und sich nicht von seinen negativen Gefühlen leiten lassen.

Hinfallen, Krone richten, aufstehen  – mal anders.

Ein paar Schlagwörter

Warum macht sie das?

  • aktuell: BDSM greifbarer machen
  • Ermutigen auch einen Blick über euren Tellerrand zu wagen

Wie macht sie das?

  • Ausbruch - neue/alternative Wege gehen
  • Motivation und Inspiration durch Menschen, Momente und nimmersatte Neugierde

Womit macht sie das?

  • Mit Geschichten aus dem wahren Leben.
  • Mit eigener Erfahrung, die sie euch zu Nutze macht.
  • Mit knallharter Wahrheit und derzeit jeder Menge Fakten über die schwarz-bunte Welt der BDSM Szene