#17 Vom Bus überfahren – Glück ist Ansichtssache

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Zwei Oberschenkelhalsbrüche und vom Bus überfahren. Manche Menschen haben einfach Glück. Oder sehen sie alles nur etwas leichter? Wir werden es herausfinden.

Heute erzähle ich von einem Menschen, dem ich außerhalb des Studios begegnet bin, der mir aber auch ganz, ganz viel in ganz kurzer Zeit mit auf den Weg gegeben hat. Ist ja nicht so, als wäre ich jetzt nur innerhalb der Domina-Sache besonderen Menschen begegnet. Nein, natürlich auch schon zuvor. Ich hatte also Glück.

Und auch diese Geschichten möchte ich mit der Welt teilen. Allein, weil sie unausgesprochen viele Werte transportiert und vor allem deutlich macht, dass man mit der inneren Einstellung und der Entscheidung glücklich sein zu wollen, komme was wolle, unfassbar weit kommt.

Denn gerade diese Geschichte hat mich sehr geprägt und sie wird mich wahrscheinlich auch noch mein ganzes Leben lang begleiten, zumal ich dieser Person begegnet bin, als ich mich selber in einer ganz extremen Situation befunden habe. Was heißt ganz extrem?

Ich hatte einen Sportunfall.

Was soll ich sagen? Ich weiß bis heute nicht so wirklich, wie es sein kann, dass man sich einfach, im Unterarmstütz, also im Plank, die Bizepssehne abreißt. Irgendwie habe ich es geschafft, obwohl ich vorher gefühlt nie was daran hatte. Vorher hatte ich nie Schmerzen, hatte vorher nie einen Unfall da, dass es irgendwie gereizt hätte sein können oder so. Ich kann mich zumindest auch nicht an irgendwelche Kindheitsausraster erinnern. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist mir meine Sehne abgerissen. Als Rechtshänder ist es natürlich extrem bescheiden. Ich gönne es keinem. Auch wenn man das am Anfang gar nicht merkt, außer dieses zischende Geräusch im inneren Ohr, war die Diagnose echt unschön.

Aber ich hatte ja keine Schmerzen, daher war alles vorerst halb so wild. Außer dass ich meinen Arm nicht mehr nach außen rotieren konnte, habe ich eigentlich gar nicht so wirklich was gemerkt. Dementsprechend habe ich mir eine Zerrung eingeredet, für was anderes war keine Zeit. Denn der Matschlauf stand ja an und ich habe viel für ihn trainiert. Bei den beiden zuvor ist bis auf diverse Schrammen und blauer Flecke auch alles glatt gelaufen und alle guten Dinge sind einfach 3.

Glück durch Ausrasten finden

Kurz zur Erläuterung: Bei solchen Läufen handelt es sich um Läufe der etwas anderen Art.

Dabei geht es nicht nur ums rennen, sondern auch durch Matsche suhlen, über irgendwelche Sandberge klettern, durch Eiswasser waten, also solche Sachen, wo man am Ende nachher ziemlich schweinisch aussieht – aber um eine tolle Erfahrung reicher ist. Danach fühlt man sich auf jeden Fall besser, a) weil man es geschafft hat und b) weil man seinen ganzen Körper spürt.

Umso spannender ist es, wenn man solche Ereignisse in einer Gruppe macht. Deshalb kam für mich erst gar nicht infrage, ob ich mitmache, oder nicht. Zumal ich auch der Organisator war. Nee, die Scham wollte ich mir nicht geben. Ja gut, dass sich der Arm jetzt komisch anfühlt, ist halt so (da findet man ja Ausreden). Also bin ich diesen Run noch mitgelaufen und habe mich ehrlicherweise gequält, da ich da schon gemerkt habe: irgendwas scheint da doch kaputt zu sein.

Denn manche Hindernisse konnte ich dann doch nicht mehr so einfach überwinden wie gedacht. Dementsprechend wurde mir bewusst, danach doch mal zum Arzt gehen zu müssen – und das war auch gut so. Denn als ich die Artpraxis verließ, musste ich mich damit abfinden, dass sich meine Einstellung zum und Ausübung von Sport zumindest in den nächsten Jahren ein bisschen ändern wird.

Glück

Sie haben Glück gehabt. Ja, klar!

Denn es standen zwei OPs und eine Reha an, ein Jahr Physiotherapie und fünf Monate nicht arbeiten.

Diese Erkenntnis war natürlich für mich erstmal komisch, nicht fassbar, nicht greifbar.

Wie gesagt, ich hatte ja keine Schmerzen, es war halt immer nur ein fieses Gefühl, sodass ich meine Bewegungsabläufe ein bisschen angepasst habe. Aber sonst ging ja alles. Die erste OP stand an. Dann kam die Reha. Ich habe noch nie eine Reha gemacht und dementsprechend bin ich da einfach mal hin, als ich meinen Arm noch in der Schlinge hatte. Sechs Wochen lang hatte ich ihn in der Schlinge und musste währenddessen schon mit der Reha anfangen. Auch wenn die OP an sich gar nicht so dolle war, waren es Schmerzen, die man sich nicht vorstellen kann. Teils halfen selbst keine Opiate, die ich mir per Schmerpumpe im Hals per Knopfdruck zuführen durfte.

Ich habe also so ziemlich jeden Tag geweint und versank mehr und mehr in Selbstmitleid.

Erstmal diese ganz kuriosen Schmerzen und den rechten Arm nicht bewegen können. Hand wäre ja noch schön gewesen, aber rechten Arm? Der war ja festgeklemmt an meinem Oberkörper. Ich konnte nichts. Ich konnte mich nicht waschen und ein Brot zu schmieren, war eine Tagesaufgabe. Jeder, der mal als Rechtshänder irgendwas versucht hat mit links zu machen, kann sich vorstellen, wie ätzend es war.

Zum Glück Reha – haha

Die Reha fing an, dass mein Arm in eine Motorschiene gelegt wurde, die dann dafür sorgte, dass mein Arm bis 60° vom Oberkörper abgespreizt wurde. Ich durfte gar nichts aktiv selber machen. Er wurde behandelt, als wäre er aus Glas. Auch ein sehr ungewohntes Gefühl. Man war komplett auf andere Menschen angewiesen. Alles ging natürlich langsam, alles tat weh, mein ganzer Körper hat sich verspannt. Zu der Zeit war ich wirklich mimimi. Dementsprechend habe ich viel geweint, trotz Massagen, Fango, Einzeltherapie & Co. Gerade noch den XLetix mitgelaufen und dann auf einmal sowas. Das war für mich die Hölle.

5 Wochen Reha Vergnügen waren angesetzt. Und irgendwann, ich glaube, es war die vierte Woche, saß ich wieder mal im Vorraum zur Massage, da ich mal wieder eines der Gespräche mit meinem Physiotherapeuten hatte, dass es alles noch nicht so ist, wie es soll.

Zum Glück hatte ich diese Begegnung

Auf einmal kam ein Mann rein. Dieser Mann kam auf zwei Krücken und hatte Klumpfüße, also eine Art Spastik. Er konnte seine Füße nur hinter sich herziehen, strahlte mich aber an, als er in den Raum kam, indem das Häufchen Elend bereits saß und auf das Ende blickte. Er kam rein und fragte mich, ob er sich neben mich setzen dürfe. Ich nickte.

Während er grinste, fragte er mich: „Warum sind Sie denn hier?“

Ich erzählte ihm meine Geschichte in Kurzform. „Aber Sie haben ja eigentlich irgendwie wohl eher eine Berechtigung, hier zu sein, oder? Was ist mit Ihnen passiert?“, fragte ich ihn.

„Ach ja, ist gar nicht so schlimm, sagte er.

Ich sagte: „Ja gut, aber dieses Handycap, was Sie so schon haben? Das reicht ja schon.“

Er antwortet: „Ach, wenn man damit geboren wurde, dann ist das nicht schlimm. Es ist halt einfach nur ärgerlich gelaufen bei mir.“

„Was haben Sie gemacht, dass Sie jetzt hier sind?“

Er sagte: „Ach, was soll ich sagen.“

Er wollte seine Mutter besuchen und ist dann die Treppen hochgefallen. Hochgefallen. Und hat sich da einen Oberschenkelhalsbruch rechts zugezogen.

Ich dachte: oh nein, wie furchtbar.

Und dann sagte er: „Ja, das war meine erste Reha.“

Ich fragte: „Ja, wie?“

Er sagte: „Ja, das hier ist ja schon die zweite.“

Ich sagte: „O. k., was ist denn dann passiert?“

Er sagte: „Ach, wissen Sie, ein Mensch hat ja nicht umsonst zwei Seiten.“

Als er dann drei Monate in der Reha war und dann nochmal einen Versuch gestartet hat mit dem Besuch zu seiner Mutter, ist er dann eine Treppe runtergefallen und hat sich dabei den Oberschenkelhalsbruch links zugezogen. Da war ich schon fix und fertig.

Glück haben

Glück spielt nicht nur im Lotto eine große Rolle

Ich fragte: „Haben Sie Lotto gespielt an dem Tag oder was ist hier los?“

Er sagt: „Ach wissen Sie, das war ja nur der zweite Stepp.“

Ich konnte mittlerweile schon gar nicht mehr klar denken und jeglicher Schmerz war weg. Ich habe mich mittlerweile schon gar nicht mehr getraut zu weinen, bzw. rumzuheulen.

O. k., die Geschichte scheint noch nicht zu Ende zu sein.

Er meinte: „Warum ich jetzt hier sitze? Sie können sich nicht vorstellen. Ich komme gerade aus der zweiten Reha, um meinen linken Oberschenkelhalsbruch zu überwinden oder zu feiern, das überwunden zu haben. Und dann wollte ich nach Hause fahren. Ja, und da wurde ich vom Bus überfahren.“

Stille

Ich sagte: „Das, nein, das kann doch nicht ihr Ernst sein.“

Ich konnte das gar nicht glauben. Und dieser Mensch, der strahlt mich an und sagt ernsthaft zu mir:

„Ja, aber ich habe Glück gehabt, ich sitz noch hier und jetzt habe ich hier gerade so ein nettes Gespräch mit einer jungen Dame wie Ihnen.“

Oh mein Gott, habe ich mir gedacht und ihm auch genauso gesagt. Er hat es mir wahrscheinlich an meinem Gesicht angesehen.

Aber ich sagte: „Sie retten meine ganzen letzten Wochen. Sie können sich nicht vorstellen, wie das hier für mich ist. Und dann sehe ich, wie Sie hier sitzen und immer noch strahlen, trotz dass Sie so eine Geschichte hinter sich haben. Das ist ja der pure Wahnsinn. Und ich danke Ihnen so dermaßen dafür, dass Sie mir das jetzt hier so erzählt haben. Sie verdienen meinen allergrößten Respekt.“

Und in dem Moment kam mein Masseur um die Ecke, ungefähr so alt wie ich und fragte: „Ist das nicht eine krasse Geschichte?“

Ich guck ihn an und sagte: „Wahnsinn, oder?“

Glück ist das, was man draus macht

Seine Antwort: „Ja, aber solche Leute wie ihn, solche Menschen brauchen wir öfter im Leben. Und das ist gut, dass er dir jetzt gerade begegnet.  Denn du bist hier ja gerade in einem Loch.“

Ich sagte: „Ja, genau, aber jetzt ist es vorbei. Und jetzt gehe ich nach vorne und ich versuche alles Mögliche, dass ich schnell wieder gesund werde.“

Ich hätte diesen Mann knutschen können. Es war so krass, wieviel Lebensfreude und Lebensweisheit dieser Mann hat. Der einfach nicht aufgibt – egal, was war. Ich stand auf und wollte gerade mit meinem Masseur mitgehen, als der Held sagte: „Ich habe noch was vergessen.“

Ich sagte: „Nee, also jetzt nicht noch was.“

„Doch. Ich habe meine Mama jetzt besucht.“

Das war so süß. Ich weiß gar nicht, wie er es gemacht hat. Aber irgendwie konnte er dann doch seine Mama mal besuchen. Und sie besucht ihn jetzt auch regelmäßig.

Danach ging es steil bergauf. Ja gut, ich musste dann nochmal operiert werden. Das war ein bisschen doof. Aber Summa summarum kann ich wirklich sagen: Diese Begegnung hat mir so viel geholfen. Und was mir das fürs Leben mitgeben will ist, dass man sich auf neue Begegnungen freuen sollte.

Jede Begegnung hat irgendeinen Sinn. Und immer offen sein, offen bleiben, neue Menschen kennenlernen und sich inspirieren lassen von anderen. Das habe ich mitgenommen und selbst das kann ich durch ihn jetzt noch besser lernen und leben. Und ich freue mich immer wieder.

Klar, solche Begegnungen wie jetzt im Studio, sind natürlich ganz andere Sachen. Aber am Ende sind es ja auch Geschichten, die einem da begegnen. Menschen, die ihre Geschichten mitbringen, die mir das erzählen, und die einfach so in ihrer Form ihren Weg finden.

Ja, jeder Mensch hat andere Schmerzgrenzen, aber wenn ihr euch zukünftig einmal schlecht fühlt und wehleidig mit einer Erkältung zuhause liegt, denkt an diesen Mann.

Ich tue es regelmäßig und er hilft mir immer wieder aus solchen Situationen raus, zum Glück.

Ein paar Schlagwörter

Warum macht sie das?

  • aktuell: BDSM greifbarer machen
  • Ermutigen auch einen Blick über euren Tellerrand zu wagen

Wie macht sie das?

  • Ausbruch - neue/alternative Wege gehen
  • Motivation und Inspiration durch Menschen, Momente und nimmersatte Neugierde

Womit macht sie das?

  • Mit Geschichten aus dem wahren Leben.
  • Mit eigener Erfahrung, die sie euch zu Nutze macht.
  • Mit knallharter Wahrheit und derzeit jeder Menge Fakten über die schwarz-bunte Welt der BDSM Szene