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Datenschutzinformationen (externer Link)Im ersten Teil hat Lena uns von ihrem Trauma aus einer Vergewaltigung erzählt und uns mit auf die Reise genommen, wie sie es geschafft hat, sie zu bewältigen. Heute knüpfen wir am Ende des ersten Teils an und beginnen mit dem Anfang von was Neuem – selbstbestimmt leben. Nämlich mit einem neuen Mann. Und im Verlauf nimmt sie uns weiter mit auf ihre Reise in ihre BDSM-Welt, erzählt uns von ihrer Art des Spiels, welche Rolle Sex dabei spielt und wie man ganz einfach Gleichgesinnte treffen kann, wenn man einfach mal hinsieht.
Nika: Was sagt dein Herr dazu?
Lena: Er sagt, solange es mir dabei gut geht und ich nicht abstürze und wieder in ein emotionales Loch falle, unterstützt er mich. Wenn ich abstürze, unterstützt er mich natürlich auch sehr, um mich wieder da rauszuholen. Aber er findet ihn auch ganz nett.
Nika: Ach, die kennen sich?
Lena: Ja, da bin ich ja nicht drum rumgekommen. Nachdem ich so viel dann von ihm erzählt hatte bei meinem Herrn sagte er: So, und jetzt lerne ich den kennen! Da war es aber bei mir erst so – mmh, aber, aber, aber nein. Da kam ich aber nicht mit durch.
Nika: Ach nein. Und das hat er mitgemacht, der Anwärter?
Lena: Ja, er wusste dann ja nicht so genau, worauf er sich einlässt. Das habe ich ihm ja dann erst im Nachhinein gesteckt.
Nika: Ach nein. Aber wie hast du es ihm denn verkauft? Also, bist zu ihm und sagst: Wir treffen uns heute auf einen Kaffee mit einem netten Mann? Oder wie war das?
Lena: Mm, ja, so ähnlich. Also ich habe gesagt: Ach, guck mal, wir könnten doch einen Kaffee trinken gehen. Ich bring da einen guten Freund mit, der ist total lieb. Mit dem verstehst du dich bestimmt auch super. Und dann wurde er auf Herz und Nieren geprüft.
Selbstbestimmtes Leben durch Offenheit
Nika: Okay, ja, und wie hat er dann reagiert im Nachgang? War das dann für ihn in Ordnung? Habt ihr noch Kontakt? Oder ist er weg?
Lena: Also er fand es sehr gut, weil das ja auch ein Zeichen von Fürsorge von meinem Herrn ist. Er fand es natürlich auch gut, dass er die Prüfung bestanden hat. Ja, wir haben noch Kontakt, und mal sehen, wie sich das weiter entwickelt.
Nika: Kannst du dir vorstellen, dass das für Außenstehende gerade total skurril wirken könnte? Also gerade, weil du ja auch erst 20 Jahre alt bist. Darf ich fragen, wie alt ist der Anwärter – ich nenne ihn jetzt mal so!
Lena: Er ist 28.
Nika: 28, gut, mit 28 sollte man schon mal eher denken: Okay, da ist die Sexualität schon – ich sag mal – gereifter. Aber kannst du dir vorstellen, dass das für Außenstehende gerade total skurril wirkt?
Lena: Ja, das kann mir sehr, sehr gut vorstellen. Ich musste auch sehr lachen, als ich dann im Café mal für kleine Mädchen war und wiederkam und die beiden da saßen und über irgendwas fachsimpelten und ich mir das erst nochmal fünf Minuten angeguckt habe. Wenn ich mir dann vorstelle, dass da noch so ein junges Mädchen mit dazwischen sitzt, dann, ja, das stelle ich mir sehr skurril für Außenstehende vor.
Nika: Ja aber irgendwie auch umso spannender. Also jetzt weiß ich das nächste Mal, wenn ich im Café bin, dann gucke ich mal genauer hin, was da für Konstellationen so sitzen. Ja spannend. Jetzt, wo wir gerade über Kuriositäten sprechen, nochmal kurz zurück zu dem Ursprung, warum wir miteinander sprechen. Kannst du dir denn da auch vorstellen, wie das für andere wirken könnte, dass du BDSM als Trauma-Behandlung sozusagen für dich entdeckt hast? Kannst du dir vorstellen, dass das für andere Leute komisch wirkt und die sich denken: Okay, da ist irgendwas nicht richtig, und auch in ihrem Alter? Hast du dir da schon mal Gedanken drüber gemacht?
Selbstbestimmt leben nach einer Vergewaltigung? Geht.
Lena: Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen, und ich habe auch schon mal ein-/zweimal das Feedback bekommen: Ja, wenn du dann dich schlagen und dominieren lässt, dann fand’s du ja die Vergewaltigung auch nicht schlimm. Dann stehst du ja drauf. Und da gehe ich steil bei. Also da kann man mich wirklich von der Decke pflücken, weil ich dann so hoch gehe, weil das etwas total Falsches assoziiert und das ja was komplett anderes ist.
Einerseits gebe ich ja meine Selbstbestimmung auf gewisse Zeit ab, lasse mich dominieren, um den Kopf auszuschalten, um mal nicht meine eigenen Entscheidungen treffen zu müssen und mich einfach lösen zu können. Das andere ist eine Straftat, wenn man etwas gegen den Willen eines Menschen tut. Das miteinander in Verbindung zu bringen, finde ich schon harten Tobak. Wenn jemand Aussagen in solche Richtungen äußert, egal, ob er von meiner BDSM-Beziehung-Geschichten-Kiste weiß oder nicht, das ist etwas, wo ich das Gespräch dann sofort beende, wo ich schon mal Gespräche mit Personen hatte die auch sagten: Wieso bist du denn jetzt so angepisst? Das muss ich dir jetzt nicht erklären, weil du mich eh nicht verstehen würdest. Das ist für mich ein so ziemlich rotes Tuch. Ich kann natürlich verstehen, dass das für Leute komisch ist, aber einfach mal dem Betroffenen zuhören, hilft schon unheimlich weiter.
Ist Rape Play eine gesunde Form selbstbestimmt zu leben?
Nika: Jetzt ist es vielleicht eine etwas provokante Frage, musst du auch nicht beantworten, aber du kennst ja wahrscheinlich den Begriff ‚Rape Play‘, also Vergewaltigungsspielchen. Es gibt ja Menschen, die da bewusst … also das ist für die eine Vorliebe, die möchten das gerne nachempfinden, nachspielen. Wie reagierst du auf diesen Begriff?
Lena: Für mich ist das persönlich nichts, Überraschung, Überraschung! Ich find’s auch sehr schwierig, es ist halt eben Rape Play, es ist ein Spiel. Du spielst etwas nach. Das ist nie 100%ig so, wie es in der Realität ist. Es kommt vielleicht dicht dran, ich weiß es nicht, ich habe es nie ausprobiert. Werde ich auch niemals machen. Ich weiß nur, dass viele damit zu kämpfen haben, wenn sie wirklich vergewaltigt wurden, und ich ja selber bemerkt habe, was das auch für Auswirkungen auf die Psyche und die Entwicklung eines Menschen hat und auch auf das ganze Umfeld.
Deswegen sehe ich das als ein sehr gefährliches Spiel und möchte eigentlich, dass dieses Spiel nicht Teil meines BDSM-Lebens wird. Und dass sich auch die Menschen, die das betreiben, auch darüber im Klaren sind, dass, wenn sie davon erzählen, sie einem potentiellem Vergewaltigungsopfer als Gesprächspartner vor sich haben, das vielleicht dadurch verletzt wird, weil das ganze Geschehen auf ein Spiel runtergebrochen wird, was ihm Spaß macht.
Nika: Wenn du so erzählst, dann merkt man schon sehr extrem, dass du sehr reflektiert bist, dass du dich da bewusst mit beschäftigst und sehr viel mit beschäftigst. Das ist echt Wahnsinn zu hören. Auf der anderen Seite bist du eine Masochistin, wie sie im Buche steht. Also du bist, das hört man so ein bisschen raus, auch mit Strafbuch und so. Das ist so schön zu hören. Wer bist du denn als Frau im Alltag?
Selbstbestimmt leben durch viel Reflektion
Lena: Ich bin eine sehr selbstbewusste Frau. Ich bin nicht auf den Mund gefallen, rede sehr, sehr viel und bin ein sehr kommunikativer Mensch. Ich komme eigentlich sehr gut immer mit allen Leuten klar. Also ich bin auf der Party nie jemand, der alleine in der Ecke steht. Ich find immer einen Gesprächspartner und ich habe einen Job, wo ich sehr extrovertiert sein muss.
Und ja, ich bin rundherum eine selbstbewusste Frau.
Wenn dann die Schlafzimmertür zugeht, lege ich das Ganze irgendwie ab. Ganz ohne Scham. Ich kann die Kontrolle abgeben und kann dann auch eine ganz liebe Sub sein. Aber ich bin halt eben auch Masochistin. Natürlich genieße ich Schmerzen, aber ich bin auch empfänglich für Strafen. Es gibt auch Schmerzen wo ich dann sage: So, gut. Nächstes Mal lässt du das vielleicht doch sein nach dem dritten oder vierten Mal provozieren und der letzten Warnung. Lass es einfach nächstes Mal. Aber das gehört auch dazu, dass meine freche Art, die ich im Alltag habe, auch da in das Spiel mit reingeht.
Selbstbestimmt leben durch Aufzeigen von Grenzen
Nika: Welche Grenzen hast du außerhalb dieser Hals-Geschichte? Also alles, was mit dieser Vergewaltigung zu tun hat, das kann man ja nachvollziehen. Welche Grenzen hast du noch? Was machst du nicht?
Lena: Ich bin ein bisschen fies vorm Rohrstock, muss ich sagen. Also wir setzen ihn hin und wieder ein, aber sehr, sehr gezielt und wirklich nur, wenn ich es übertrieben habe. Da bin ich sonst jemand der sagt, so gut nach so 10, 12 Schlägen, damit hört es bei mir dann auch auf. Ich bin fies vor allem, was blutet und piekst, also mit Nadeln oder sowas muss man mir gar nicht kommen. Ich bin tätowiert und gepierct und das ist auch okay. Und wenn danach Schmuck kommt, ist eine Nadel auch völlig in Ordnung. Aber nicht einfach so zwischendurch.
Nika: Im Gegensatz dazu: Was machst du am liebsten?
Lena: Ich habe ein Fable für Paddel. Also alles, was so einen breiten Schmerz verursacht. Habe sehr, sehr gerne Reitgerten. Ich war früher im Reitsport aktiv gewesen. 14 Jahre lang und habe deswegen, glaube ich, dadurch auch eine ziemlich starke Affinität zu Gerten. Und sonst lass ich mich auch gerne fesseln und dass wir Bondage betreiben. Und da kommt aber auch meine freche Art wieder durch. Wenn er nicht aufpasst, mich bloß nicht stramm genug hat, dass ich ihm dann zeige, wie einfach man da rauskommt, dass er dann nochmal von vorne anfangen muss.
Nika: Und auch da, ich meine, das sind ja alles so Sachen, die muss man ja lernen. Habt ihr die zusammen gelernt, sprich, Bondage-Workshop, oder hat er Schlagtechniken gelernt? Oder wie ist es dazu gekommen, dass ihr euch da so gut nonverbal versteht?
Selbstbestimmt leben durch Kommunikation
Lena: Dadurch, dass er Segler ist, hat das mit dem Bondage schon ziemlich gut geklappt. Dann haben wir es eben zusammen ausprobiert, was es da so für Möglichkeiten gibt mit entsprechenden Lehrbüchern. Bei den Schlaginstrumenten hat er mit diesen klassischen Paddel-, Rohrstock-Sachen schon mal was ausprobiert. Da ich ja im Reitsport aktiv war, kann ich eine Gerte führen, wo er auch schon Respekt vor hat. Das haben wir dann zusammen erarbeitet, dass ich ihm gezeigt habe, wie man damit zuschlägt. Wir erarbeiten sehr, sehr viel gemeinsam, und dadurch wissen wir halt eben auch, wie weit wir gehen können. Es ist bis jetzt nur einmal zum Abbruch einer Session gekommen.
Nika: Was ist da passiert?
Lena: Es war Sommer, sehr, sehr warm. Und er hatte mich in einem Bondage fixiert, wo meine Arme über dem Kopf festgebunden waren. Ich hatte es etwas übertrieben in den Wochen davor, also wirklich etwas viel. Es war bestimmt schon so, dass meine Arme 20 Minuten hochgebunden waren und sie langsam eingeschlafen waren, ich das aber gar nicht so gemerkt hatte, weil ich mit einem anderen Körperteil beschäftigt war. Er hat dann mit dem Flogger leichte Schläge auf meinen Oberarmen verteilt und dadurch, dass die eingeschlafen waren, hat das alles angefangen zu verkrampfen und es ging einfach nicht mehr. Dann musste ich das Ganze wegen körperlichen Unwohlseins abbrechen.
Nika: Du warst mit einem Körperteil beschäftigt. Ich gehe mal davon aus zu wissen mit welchem. Hast du Sex mit deinem Herrn?
Lena: Sehr, sehr selten. Also anfangs gar nicht, bestimmt 1 ½ Jahre nicht, dass ich gesagt habe, gibt’s nicht. Also du kannst streicheln und meinetwegen mit dem Flogger ein bisschen rumschlagen, aber reingesteckt wird da nichts. Mittlerweile bin ich so weit, dass, wenn ich in der Stimmung bin, dass es dann auch zum Sex kommt. Aber das ist immer etwas, was er mich entscheiden lässt.
Nika: Ich weiß nicht, ob du das Interview mit der Louisa gehört hast. Sie hat keinen Sex mit ihrem Dom. Weißt du oder hast du einen Ansatz, warum ist das so, dass sehr oder relativ selten zwischen einem Dom und einer Sub, dass da Sex passiert? Warum ist das so?
Selbstbestimmt leben durch Hinsehen und Hinterfragen
Lena: Da kann ich dir keine Antwort drauf liefern, aber ich verstehe das gut. Weil, ich finde es auch erfüllender, das ganze Drumherum. Die Session vorher ist wesentlich erfüllender. Man fühlt sich danach leichter und auch irgendwie befriedigt und glücklich. Der Sex hinterher ist dann nur noch der Tropfen auf dem heißen Stein. Also das geht dann irgendwie so ein bisschen unter. Und vielleicht bewahrt man sich dann was Besonderes, wenn man sagt: Okay, wir sind trotzdem glücklich und erfüllt, auch ohne den klassischen Sex hinterher.
Nika: Ja, das ist spannend, also dafür dass es im „normalen“ Kontext ja eigentlich so das Wichtigste für viele ist, miteinander Sex zu haben, ist es in der BDSM-Szene tatsächlich gar nicht so wichtig. Schon öfter ist mir das aufgefallen, sei es jetzt als aktive Frau oder auch mit den Mädels, mit denen man sich da so drüber unterhält, oder auch mit Interview-Partnern. Sex ist tatsächlich gar nicht so eine wichtige Rolle. Das fällt schon auf, oder?
Lena: Ja, also, ich habe nicht mit so vielen Leuten aus der Szene Kontakt, ich würde da gerne aktiver sein. Mal gucken, ob ich vielleicht mal aus mir rauskomme und mich endlich traue, mir einen Stammtisch zu suchen. Ja, ich verstehe das vollkommen, dass die Leute sagen: Ja, halt alles drum herum ist irgendwie wichtiger als der Sex an sich. Natürlich gehört es dazu, aber es gibt ja auch viele Spielchen in Richtung Orgasmus-Kontrolle oder sowas, was wir auch versucht haben, was mir aber überhaupt keinen Spaß macht. Allein weil ich sage: Ja gut, dann halt eben nicht! Dann ist er derjenige der sagt: Ja, okay, jetzt setzen wir das mal aus. Jetzt kommen wir hier mal zum Paddel. Ich kann das sehr gut verstehen.
Vor allem, weil viele ja auch Sachen mit in den Alltag einbauen, seien es nur so kleine Spielchen wie: Jetzt schick doch mal eben ein Foto! Oder: Geh ohne Unterwäsche zur Arbeit! Oder keine Ahnung. Das ist ja alleine das ganze Mindset, was es ja dann schon aufregend macht. Und du kannst auf der Arbeit nicht die ganze Zeit an Sex denken.
Selbstbestimmt leben durch eigenes Mindset
Nika: Dieses alltäglich Mentale ist schon spannend immer, ne? Also, dass das Körperliche außen vor bleibt und vieles dadurch dann im Kopf passiert. Das begleitet die ganze Szene doch schon sehr, dass Mindset, was du gerade schon sagtest, das ist dominanter als der körperliche Anteil oft.
Lena: Ja, auf jeden Fall. BDSM beginnt im Kopf und spielt sich da auch größtenteils ab.
Nika: Jetzt hast du gerade schon erwähnt, herrlich, dass du da so Vorlagen gibst. Stichwort Stammtisch. Du hast mir in deiner Mail geschrieben, dass deine Therapeutin auch Stammtische empfohlen hat. Wie ist das? Du hast jetzt gerade im Nebensatz erwähnt, dass du da noch keinen gefunden hast. Aber was hat deine Therapeutin dir denn dazu gesagt?
Lena: Sie hat gesagt, dass ich mich einfach mit Jemandem oder Menschen austauschen soll, die in der Szene drin sind und das am besten auch schon länger als ein halbes Jahr betreiben, und einfach ihre Erfahrung.
Weil egal, wie erfahren man ist, jeder stürzt mal ab oder fühlt sich unwohl, und einfach, um sich über das Thema auszutauschen. Leider ist der Stammtisch, den sie mir empfohlen hat, wegen mangelnder Besucher geschlossen worden. Ich habe mich noch nicht aufgerafft, mir einen neuen zu suchen, weil alles auch mindestens mit einer Stunde Autofahrt verbunden wäre und ich da noch nicht weiß, ob ich schon so weit bin, um zu sagen: Gut, ich leg jetzt die Karten offen auf den Tisch. So sieht es aus. Das mache ich in meiner Freizeit. Was macht ihr denn so? Mit dir darüber zu reden ist was anderes. Keiner wird mich erkennen oder wissen, dass ich es bin. Es tut gut, sich das Ganze mal von der Seele zu reden. Deswegen habe ich ja auch meinen Mädels erzählt, was los ist.
Ich bin dann auch positiv überrascht gewesen, dass die da so offen waren und mich unterstützen selbstbestimmt leben zu lernen. Aber so vor völlig Fremden die Hosen runterzulassen, da scheue ich mich noch so ein bisschen vor.
Nika: Was glaubst du, warum das so ist, dass solche Dinge passieren wie mangelnde Mitgliederzahl, Stammtische müssen schließen? Woran liegt das?
Lena: Ich habe immer so die Angst gehabt, dass, wenn ich mir was hier in der Nähe suche, dass ich Bekannte treffe, was ja eigentlich eine total sinnlose Angst ist. Weil, wenn die auch da sitzen, haben die dasselbe Geheimnis. Vielleicht, dass es daran liegt, und auch, dass sowas wie Stammtisch vielleicht ein bisschen aus der Mode geraten ist durch die ganzen sozialen Medien. Dass man wesentlich mehr Kontakt über WhatsApp, Instagram und Co. hat. Dass man sagt, dieses alle zwei Wochen, einmal im Monat, zusammensitzen, das fällt irgendwie raus. Das ist zu viel Aufwand. Dass das dadurch eingeschlafen ist.
Nika: Ja, das ist immer spannend. Ich weiß nicht, wie das bei dir war. So als Jugendliche, wenn es dann darum ging: Lass uns mal Saunen gehen. Und dann: Nee, nachher treffe ich einen Lehrer oder so. Und am Ende haben wir uns das auch immer so erklärt: Naja, wenn er da ist, dann findet er Saunen ja auch gut, oder sie. Also, er oder sie ist auch nur ein Mensch und auch nackt. Was da passiert bleibt da. Am Ende ist es, wie du schon sagst, mit den Stammtischen ja auch so. Wenn man sich da begegnet oder in Clubs oder sowas, dann hat man ja den gleichen Ansatz.
Das ist total witzig, dass Menschen sich da selber so unlogische Grenzen setzen oder Erklärungsansätze, warum man irgendwas nicht macht. Ist eigentlich Schade. Gerade so bei Stammtischen. Ich kenn jetzt auch selber keinen, aber da habe ich mich auch schon öfter mit Menschen darüber unterhalten, die selber auch Stammtische machen oder ins Leben gerufen haben. Aber die haben auch dieses Problem, dass nicht viele Menschen dahin kommen – es sei denn, sie sind sehr verwurzelt in der Szene. Dann schon. Aber für „Anfänger“ ist da schon die Hürde ein bisschen größer. Das behalte ich mal im Hinterkopf. Vielleicht können wir da irgendwie was machen.
Ihr könnt mich mal…Selbstbestimmt leben mit blauem Arsch
Lena: Ja, wo du gerade Sauna erwähnst, da habe ich auch noch eine ganz witzige Anekdote. Ich war mit meinem Herrn in Urlaub gewesen in Amsterdam. Da haben wir auch einen Nachmittag einen Sauna-Besuch gemacht. Ich saß in der Sauna, er saß dann eine Treppe über mir, ein bisschen dahinter, weil er die Hitze besser abhaben kann als ich. Gegenüber saß auch eine Frau, und die rutscht auf der Bank hin und her, wo ich gedacht haben: Oh, das kennst du. Wir warten, und warten, und warten, bis sie dann aufstand.
Und dann: Oh ja, die hat auch einen blauen Hintern, genauso wie ich. Und er hat mir dann auch einen auf den Arsch gegeben. Dann standen wir beiden Frauen draußen, guckten uns an, schielten so auf den Hintern, guckten dann jeweils die Herren der anderen an, mussten lachen sind erstmal abgezogen, einen Kaffee trinken. Die beiden Herren standen da und haben die Welt überhaupt nicht mehr verstanden, was da los war.
Das war so eine witzige Begegnung einfach, dass ich sie getroffen habe. Okay, ich bin jetzt nicht die Einzige, die ihren blauen Arsch in der Sauna herumhalten muss. Sondern da habe ich dann wen getroffen, der genauso tickt, und das war ein sehr angenehmer Nachmittag mit sehr witzigen Gesprächen. Später irgendwann gab es dafür dann bei uns die Quittung, weil wir irgendwann draußen alleine saßen, weil es ein etwas abgelegenes Gelände war und auch viele kleine Ecken. Da gab es dann erstmal so: Ihr seid einfach so abgezogen, ohne uns irgendwas zu sagen, und habt uns da stehen lassen? So geht das aber nicht.
Selbstbestimmt leben – weil man es kann
Nika: Ach was.
Lena: Und dann wurden erstmal die blauen Flecken noch ein bisschen vertieft. Das war sehr, sehr witzig gewesen.
Nika: Ja guck mal, alternativer Alltag. Ist doch schön. Hast du noch Kontakt zu ihr, oder war das jetzt so eine einfach nette, sympathische Begegnung.
Lena: Das war eine einfach nette, sympathische, einmalige Begegnung.
Nika: Ich find das super, also gerade solche Sachen, die zeigen einem ja auch: Okay, es gibt auch Menschen wie dich oder halt auch die andere Frau, die du da getroffen hast, die da einfach offen mit umgehen können. Das ist so erstrebenswert, dass man da ein bisschen toleranter wird oder einfach dann denkt: Ja gut, ach, witzig. So wie du. Die macht das auch. Cool. Das ist doch wunderbar.
Lena: Am Anfang war es mir so ein bisschen unangenehm, meinen nackten Arsch in der Sauna allen zu zeigen. Aber mittlerweile habe ich da keine Probleme mehr mit. Weil es ja auch außerhalb war und weit weg von Familie, Büro, allem, was dazu gehört. Ich werde da offener und auch mutiger selbstbestimmt zu leben.
Nika: Wie haben die Leute reagiert? Hast du das mitbekommen, also dass sie dich bewusst angestarrt haben? Oder deinen blauen Arsch? Oder was ist da passiert?
Lena: Es gab verschiedene Arten von Blicken. Es gab bestimmt sehr viele interessierte Blicke. Also es hat keiner direkt angesprochen. Wer es nicht sehen wollte, hat dann eben weggeguckt. Da war ich echt positiv überrascht. Es gab aber auch Einige, die wirklich dann gestarrt haben und wo ich dann einige Paare gesehen habe, die dann abgezogen sind, wo ich gedacht habe: Gut, das läuft bei denen heute auf jeden Fall rund. Die haben was zum Ausprobieren. Was ich eigentlich sehr witzig fand.
Weil, nur mit offenem Umgang kann man die ganzen Klischees, die über die ganze Szene herrschen, irgendwie ansatzweise aus der Welt räumen.
Oder es reicht doch schon, wenn man den Gedankenanstoß gibt, dass die Leute nachdenken, ob es wirklich alles so schwarz ist.
Nika: Und dass es nicht schwarz ist sondern wunderbar bunt, das wissen wir mittlerweile. Oder da bauen wir gerade auf in solchen Geschichten, die wir jetzt heute machen, dass wir da einfach drüber sprechen. Das ist, glaube ich, sehr, sehr, sehr wertvoll für viele, viele Menschen. Herrlich. Mein Tag ist schon gerettet.
Ja guck mal, du hast mir bei unserem ersten Telefonat gesagt: Ich weiß nicht, ob es inhaltlich reicht. Jetzt quatschen wir schon tatsächlich fast eine Stunde. Also ich glaube, da könnte man jetzt auch noch sehr, sehr viele weitere Fragen stellen und weiter drüber quatschen. Hast du denn persönlich noch Worte für, sei es jetzt, Mädels oder auch Männer, denen das passiert ist? Was möchtest du den Leuten mitgeben?
Lena: Ja, mir ist es ganz wichtig, dass die Leute sich einfach helfen lassen selbstbestimmt leben zu lernen. Es gibt Menschen, die sind ausgebildet dafür, um Trauma zu bewältigen, und die verabscheuen das auch nicht, wenn man BDSM betreibt oder das als ein Hilfsmittel sieht. Es kann halt eben ein Hilfsmittel sein, und man muss sich darüber im Klaren sein und reden, reden, reden. Das in sich Hineinfressen bringt gar nichts. Das macht es nur noch schlimmer und man fühlt sich mit sich selbst unwohl. Genau das ist ja das, was wir verhindern wollen.
Selbstbestimmt leben durch Hinhören und Reden
Nika: Richtig. Hast du denn noch sonst Tipps? Also gerade, weil es ja etwas schwierig ist, offen darüber sprechen zu können. Hast du einen Tipp für Menschen, die sich vielleicht schon Hilfe geholt haben, aber der Bereich noch so ein bisschen außen vor geblieben ist innerhalb der Therapie? Wie hast du es geschafft, bei deiner Therapeutin diesen Weg zu gehen, BDSM mit einzubringen in die Therapie?
Lena: Wir sind ja alles nur Menschen. Auch Therapeuten sind Menschen. Es gibt keine Halbgötter in Weiß, das wissen wir alle. Und auch Therapeuten haben ein eigenes Leben, haben vielleicht schon einiges ausprobiert in ihrem Leben. Einfach mal ansprechen, und selbst wenn sie abstoßend darauf reagieren, sie dürfen ja eh nichts darüber sagen. Das heißt, das ist einfach der sicherste Ort, um mit jemandem über diese Neigung oder Teil seiner Persönlichkeit zu sprechen, weil es der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt.
Das heißt, selbst wenn sie damit nichts anfangen können, wenn es gute Therapeuten sind, werden sie merken, dass es einem weiterhilft, und sie werden einem zuhören und versuchen, eine Lösung zu finden. Selbst wenn sie nicht zuhören und mit einem darüber arbeiten möchten, dürfen sie darüber kein Wort gegenüber anderen verlieren. Man hat eigentlich nichts zu verlieren und kann nur gewinnen.
Nika: Das nenne ich doch mal ein wunderbares Abschlusswort. Oder hast du noch irgendwas, was du loswerden möchtest? Auch von dir persönlich? Irgendein Teil, den wir jetzt vergessen haben, da noch anzusprechen? Der vielleicht auch hilfreich wäre für andere? Oder können wir das jetzt sozusagen als rundes Ding abschließen?
Lena: Ich glaube, wir können das Ganze hier abschließen. Ich habe jetzt genug erzählt zum Thema selbstbestimmt leben zu können.
Nika: Ja super. Dann würde ich doch sagen, ich bedanke mich ganz, ganz herzlich bei dir, Lena, dass du da so offen mit deinem Thema zu mir gekommen bist und dass du so offen darüber gesprochen hast. Ich bin mir sicher, du hast sehr vielen Menschen da Impulse gegeben, mal genauer hinzugucken und das ist sehr, sehr wertvoll, was du getan hast. Und dafür danke ich dir!
Lena: Ich danke, dass du mir zugehört hast, und sobald wir nur einem damit weiterhelfen, haben wir unser Soll erledigt.
Nika: Sehr gut, sehr gut. So sehe ich das auch. Es soll einfach jeder selbstbestimmt leben können. Dann wünsche ich dir alles, alles Gute. Pass auf dich auf und gehe deinen Weg weiter. Das machst du schon komplett richtig so.
Lena: Danke, das wünsche ich dir auch.
Nika: Danke dir!
Ein paar Schlagwörter
Warum macht sie das?
- aktuell: BDSM greifbarer machen
- Ermutigen auch einen Blick über euren Tellerrand zu wagen
Wie macht sie das?
- Ausbruch - neue/alternative Wege gehen
- Motivation und Inspiration durch Menschen, Momente und nimmersatte Neugierde
Womit macht sie das?
- Mit Geschichten aus dem wahren Leben.
- Mit eigener Erfahrung, die sie euch zu Nutze macht.
- Mit knallharter Wahrheit und derzeit jeder Menge Fakten über die schwarz-bunte Welt der BDSM Szene