#82 BDSM Museum – Deutschland zeigt sich Teil 1

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Deutschlands erstes BDSM Museum wird eröffnen.

Wer kommt auf so eine Idee?
Was ist das Ziel?
Was wird ausgestellt?

Wieder einmal viele Fragen und noch mehr Antworten.

Heute, im ersten Teil des Interviews mit Solea und Janus.

Nika: Hallo Janus und Solea! Ihr habt mich angeschrieben, da ihr was ganz Besonderes und Wertvolles vorhabt. Zitat: Zur Kulturvermittlung und Akzeptanzförderung von BDSM. Das habe ich von eurem Instagram-Profil schon abgeguckt. Ihr seid da ja schon mittendrin und verfolgt ein ganz besonderes Projekt. Erzählt mir daher gerne mal, worüber wir uns heute unterhalten werden.

Janus:           Genau. Ich bin Janus und mit Solea ist im letzten Jahr im August 2020 das Projekt so ein bisschen geboren, ein BDSM-Museum in Hamburg zu gründen, ein gemeinnütziges, in dem wir BDSM-Kultur vermitteln und zeigen: Was ist BDSM und wie wird das ausgelebt? Was für Mythen, Vorurteile und Unwissenheit sind oft damit verbunden? Man kann sich das so vorstellen, dass die Zielgruppe des Museums die Eltern sind, die man dann ins Museum führen und denen zeigen kann, worum es da eigentlich geht. Dass das alles auf Einvernehmlichkeit basiert, Vertrauen, Respekt und gegenseitige Achtung, und dass Gewalt und Missbrauch eigentlich im klaren Gegensatz dazu stehen. Genau das ist ja oft ein Stereotyp oder Stigmata, was BDSM oft anhängt.

Solea:            Genau. Und ich bin Solea und bin quasi mit die Projektleiterin für das BDSM Museum und verfolge eben dieselben Ziele, auch in der Hoffnung, dass es ein tolles Projekt wird, was dann auch letztendlich in Hamburg stattfinden soll.

Nika:             Wahnsinn, meine Güte. Wir hatten ja beim Vorgespräch schon gedacht: Wahnsinn, was ihr da vorhabt. Erzählt mal, wie kamt ihr auf die Idee, sowas zu machen?

Janus:           Das klingt tatsächlich ein bisschen wahnsinnig. Wenn man sich so denkt: Oh mein Gott, ich hab selber beruflich nicht so viel mit Museen zu tun gehabt, außer dass ich gerne in ein Museum gehe. Und dann soll es ein BDSM Museum werden? Aber ich leite in Hamburg zwei Stammtische, zusammen mit anderen Orgas, und ich sehe halt immer wieder, dass, wenn man drüber redet – das sind Diskussionsstammtische, einmal auf Englisch, einmal auf Deutsch – es einfach so viele Perspektiven gibt und so eine breite Vielfalt.

Wenn man sich nicht mit dem Thema beschäftigt, nicht auf Stammtische geht oder sich im Internet viel damit beschäftigt, dann merkt man gar nicht, was das alles überhaupt bedeuten kann. Dann hat man einfach nur vielleicht ein paar Ideen, Meinungen oder Assoziationen, vielleicht sogar mit Gefühlen und Ängsten, von Scham behaftet. Oft mit Sexualität, und das versperrt einem, glaube ich, eine Sicht auf ein sehr schönes Thema, was wir eben präsentieren wollen.

Nika:             Okay, oh Gott. Jetzt muss ich mal sortieren, welche Fragen ich alle habe. Ihr leitet, wahrscheinlich zusammen, BDSM-Stammtische. Wie kamt ihr dazu? Fangen wir mal hinten einfach an. Wie kam das alles zustande?

Janus:           Ich bin erst seit fünf Jahren eigentlich in Hamburg. Ich komme ursprünglich aus Österreich. Seit meiner Jugend habe ich gemerkt, dass mich eben andere Dinge sexuell interessieren und mich immer so ein bisschen außen vor gefühlt und ein bisschen komisch, dass mich Dinge, die andere in meinem Alter vielleicht mehr interessieren, nicht so interessieren. Dann hat sich das einfach entwickelt, dass ich gesagt habe: Na gut, dann möchte ich das suchen und auch ausleben. Ich möchte Menschen treffen, die das auch machen wollen, einvernehmlich und aus Wertschätzung, und nicht einfach nur aus einem Gelüst heraus seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Nika:             Habt ihr euch dann im dem Kontext auch kennengelernt?

Solea:            Ja. Ich bin durch einen Ex-Freund zu diesem Stammtisch gekommen und habe ihn da quasi kennengelernt. Bei mir ist der Hintergrund, ich habe erst sehr spät mit BDSM angefangen, weil ich irgendwie gar nicht wusste, dass das BDSM ist, was ich tue oder eben gerne habe. Ich komme ursprünglich aus dem Manga Anime Bereich von Anno Dazumal. Das war meine Jugend. Da habe ich damals einen Stammtisch in Baden-Württemberg geleitet. Stammtisch war eben ein monatliches Treffen. Da konnte man sich verkleiden. Man war unter Gleichgesinnten. Das fand ich ganz schön, und es war auch mit anderen Organisatoren. Dementsprechend fand ich das auch schön, als ich Jahre später in Hamburg das auf einer anderen Art und auf anderen Interessen gefunden habe mit den BDSM-Stammtischen.

Janus:           Es gibt ja ziemlich viele Stammtische in Hamburg. In London war ich einmal auf einem Stammtisch, das kann man schon gar nicht mehr Stammtisch nennen. Das war so ein großes Treffen, da waren mehr als 80 Leute in einem großen Pub. Das war alles quasi ein Stammtisch, und es war total normal, dort rumzugehen. Leute haben teilweise aufgehört zu reden, haben einen eingeladen und gesagt: Hey, we were talking about XY. What’s your opinion? Who are you?

Die waren gleich so einladend und dass man nicht eine feste Gruppe hat, einen Kern, aber viele Leute, die sich kennen, die gerne über das Thema reden oder sich damit beschäftigen. Die sich frei begegnen, ohne dass das eine feste Riege ist oder ein Freundschaftsclub. Das hat mich sehr geprägt. Als ich nach Hamburg gekommen bin, habe ich das zum Teil gesehen, dass es z. B. den MHC-Stammtisch gibt. Das ist ein sehr diverser Stammtisch, wo einfach Vielfalt ist und wo man auch gut begegnet wird.

Es gibt auch andere Stammtische, wenn man als Neuling dazu kommt, wo man am Anfang vielleicht ein bisschen beäugt wird. Aber generell sind, glaube ich, alle Stammtische in Hamburg sehr einladend. Wieso ich dann mich entschlossen habe, bei zwei Stammtischen als Mit-Orga mitzumachen, war, weil mir wichtig war, dass man auch wirklich über BDSM reden kann. Manchmal kann es sein, auch wenn die Stammtische sehr einladend sind, man doch viel über Privates redet. Das war mir halt wichtig, dass ich auch quasi eine Gesprächsbasis habe, um über BDSM reden zu können oder von anderen Geschichten zu hören dazu. Da ist manchmal, gerade am Anfang, die Hemmschwelle, über BDSM zu reden, sehr hoch.

Nika:             Wie kam es dann dazu, ein BDSM Museum eröffnen zu wollen? Das ist ja schon ein Riesending, was ihr da vorhabt. Bzw. das ist ja schon fast fertig, wenn ich das richtig verstanden habe. Wie kam es dazu?

Janus:           Das war eigentlich, als der Lockdown im Juli/August zeitweilig etwas aufgehoben war. Da konnten wir uns im Tiergarten ein bisschen treffen, auseinandersitzend. Ich habe dort einfach wieder gemerkt, wie schön es ist, über das Thema zu reden, und wie blöde es ist, dass viele jetzt während Corona einfach nicht sich mit Menschen treffen und dem Thema begegnen können. Dann bleibt halt nur das Internet übrig und vielleicht Treffen mit einzelnen Personen. Da habe ich mir gedacht, es wäre doch schön, wenn es einen Ort gibt, wo man hingehen, sich das anschauen und dem Thema neutral begegnen kann. Ich kann mich erinnern, ich war zwei Jahre davor in Island im Penis-Museum in Reykjavik und ich war damals ziemlich enttäuscht. Man sieht dort einen Haufen Phalli von verschiedenen Tieren, von Walen ganz groß bis Maus ganz klein.

Das ist zwar alles irgendwie belustigend, aber am Ende war der pädagogische Wert da leider nicht so hoch. Und das war auch gar nicht beabsichtigt. Dahingehend war meine Enttäuschung vielleicht irgendwie auch nicht gerechtfertigt, aber eigentlich hätte ich mir gewünscht, mehr darüber zu erfahren. Da habe ich mir gedacht: Wieso gibt es eigentlich nichts über BDSM im Museum.

Ich habe dann mal geschaut: Was gibt es denn eigentlich dazu? Es gibt tatsächlich in Chicago das Leather Archives Museum, ein Museum, das BDSM-Kultur vermittelt. Das ist nicht immer nur BDSM. Da sind ganz viele Kulturen und Subkulturen vermischt, aber auch vor allem Geschichte über Ausgrenzungen und über den Kampf um Anerkennung und um Selbstbestimmung. Das hat mich einfach ein bisschen inspiriert zu sagen, das braucht man eigentlich auch hier. Nicht jeder kann nach Chicago reisen und sich das anschauen. Hamburg ist eine tolle Stadt und ein gutes Pflaster, wo das durchaus einen guten Platz hat.

Nika:             Ich habe ja jetzt ein bisschen geguckt. Es soll wirklich ein typisches Museum werden. Dürft ihr schon verraten, wo es am Ende sein wird?

Janus:           Wir sind auf der Location-Suche. Ich habe zum Glück beruflich zu tun gehabt mit Geschäftsmieten, mit Vermietern und Vertragsbeziehungen. Ich kenne ein bisschen den Mietmarkt in Deutschland, und habe auch noch Kontakte zu dem, was derzeit vor sich geht in der Branche. Wir wollen eigentlich weg von diesem Schmuddelimage und diesem dunklen und verwinkelten, sondern hin zu einer typischen, weißen, hellen Kunstgalerie oder auch einem typischen Geschichte-Museum. Ein bisschen eine Mischung auch daraus.

Solea:            Deswegen würden wir am besten die Reeperbahn vermeiden wollen, weil es eben sonst diesen typischen Tourismus, diese Aufhellerei oder –geilerei anziehen würde. Das würde es dann ja wieder ins Lächerliche ziehen. Man weiß ja, was für Touristen unter anderem eben auch auf der Reeperbahn unterwegs sind. Dann ist man eben schön angetrunken oder angemunkelt. Da möchte man die Verbindung zu einem BDSM Museum vermeiden.

Janus:           Vor allem, damit assoziiert zu werden.

Solea:            Deshalb wäre eben der ideale Wunsch vielleicht sogar Hafencity oder in der Nähe vom Bahnhof. Da gibt es ja auch coole Hallen. Da gibt es ja auch unter anderem die Kunstgalerie oder andere Museen, um in einer netten Umgebung zu sein, die einen einlädt, sich mit der Materie gewissenhaft auseinanderzusetzen und nicht sich darüber zu belustigen.

Nika:             Ihr wollt vor allem auch diese ganze Historie mit reinbringen! Das war ja so spannend. Ihr habt ja auch richtig geile Kontakte schon.

Janus:           Das stimmt. Wenn man danach fragt, dann kommt es. Wir haben von Historikern und Historikerinnen, die Werke empfohlen haben, auch aus der Museumspädagogik. Es gab im Schulmuseum in Berlin eine Sonderausstellung zum lesbischen und, ich glaube, auch zur Transgender-BDSM. Da bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Es gibt ein tolles Buch, das kann ich jedem empfehlen, der sich für BDSM-Geschichte interessiert, das tatsächlich wirklich gut ist, mit vielen Quellen. Das heißt: A Lover‘s Pinch. A Cultural History of Sadomasochism. (Affiliate Link – du hast keine Zusatzkosten). Also genau das Thema. Das ist, finde ich, wirklich sehr gut recherchiert. Es fängt an vom Mittelalter, von den Flagellanten, und endet auch im Internet-Zeitalter mit den Huren und den Stammtischen und mit der heterosexuellen Szene.

Das ist sehr gut beschrieben, weil es wirklich diese nuancierte Entwicklung und Perspektiven aufzeigt. Und es zeigt eben auch, dass in der Vergangenheit generell das Bewusstsein für Einvernehmlichkeit und für einen positiven, gemeinsamen Umgang mit Sexualität einfach in der Art, wie wir das heute kennen, nicht vorhanden war. Sei es jetzt BDSM oder normale Sexualität – bis in die 90er Jahre in Deutschland – Vergewaltigung in der Ehe gab es nicht als Rechtsbegriff. Das zeigt eigentlich, dass sich die Gesellschaft eigentlich zunehmend entwickelt, dass wir ein besseres Verständnis haben, wie wir miteinander fürsorglich, respektvoll, in Achtung und Verständnis miteinander umgehen können, auch sexuell. Das schließt natürlich BDSM ein, aber auch normale Sexualität.

Nika:             Da frage ich euch gleich nochmal oder später. Dann setze ich den Link mal unten in die Show Notes, da können sich die Leute das mal angucken. Das ist ja schon echt spannend, auch mal den Moment herauszufiltern, ab wann BDSM als unnormal galt oder gilt. Dieser Begriff oder dieses etwas Verwerfliche – irgendwann ist es ja entstanden.

Janus:           Ich glaube, das ist halt immer auch eine sehr persönliche Geschichte, ab wann man selber für sich beginnt zu begreifen, dass BDSM nichts Krankhaftes ist, sondern dass es etwas ist, was einen bereichern kann in seinem Leben. Das haben ja viele, die das machen. Die, die damit Erfahrung haben, haben positive Erfahrungen damit. Es gibt auch viele negative Erfahrungen, wie es auch mit Sexualität viele negative Erfahrungen gibt. Ich glaube, deswegen ist es auch wichtig, dass wir nicht eben nicht zu idealisiert vielleicht BDSM darstellen, aber auch nicht zu sehr immer diese stereotypen Sichtweisen. Man darf sich davon nicht beirren lassen, würde ich mal sagen.

Nika:             Solea, du hast vorhin einmal gesagt: Ich wusste nicht, dass es BDSM ist, was ich tue, als du ein bisschen von dir erzählt hast. Das passt vielleicht gerade ganz gut. Was ist BDSM für jemanden eigentlich? Wenn wir nochmal das Museum auch mit aufgreifen – was stellt ihr da aus oder was können Menschen da für sich entdecken, was BDSM für sie ist?

Solea:            Im Zuge dessen, wie ich meine Sexualität entdeckt habe, gab es ein paar Dinge, die ich halt auch nicht gedacht oder als Fetisch oder als Kink definiert hätte. Man denkt ja meistens gerne in Schubladen. Was ist abnormal, was ist normal? Was macht ein normaler, ich sage mal, heterosexueller oder bisexueller oder was auch immer Mensch im Bett oder auch miteinander? Man hinterfragt dann doch irgendwie manchmal, wenn es auch nicht so gut ankommt beim Partner, mit dem man gerade interagieren möchte. Das bringt einen dann im besten Fall doch zum Reflektieren. Bei mir war das halt eben durch Crossplay u. a. ein Fenster quasi zur Sexualität. Natürlich Crossplay – ich weiß jetzt nicht, ob jeder von deinen Hörern weiß, was Crossplay ist.

Nika:             Erklär ruhig gerne!

Solea:            Das ist quasi ein Kostümplay und kommt aus dem Anime Manga Bereich, durch diese Subkultur. Man verkleidet sich eben als Anime Manga- oder Game-Charakter und es ist eigentlich nichts Sexuelles primär. Man stellt halt was dar. Es werden Fotos gemacht. Man geht zu Conventions. Das ist im Prinzip ein großer Pool von Fans. Wenn ich jetzt zurückdenke an meine Jugend – ich habe mit 14/15 damit angefangen, bin auf Cons gegangen. Da waren alle irgendwie sehr hormonell gesteuert.

Das hatte dann doch immer irgendwie einen leichten, sexuellen Touch. Natürlich, Crossplay ist eigentlich generell nichts Sexuelles. Es ist was Sexuelles, wenn du was Sexuelles draus machst. Das ist genauso wie mit Kinks und mit Fetischen. Im Grunde genommen, ich glaube, es gibt alles, und es kann auch alles zu einem Kink oder einem Fetisch sein, wenn du es als solches empfindest und wenn du eben Dinge damit rausziehen kannst. Sprich: Wir hatte jetzt letztens mehr oder weniger die Thematik: Ist gefesselt sein ein Kink oder ist es schon ein Fetisch? Es ist ja im Prinzip wie ein Verb. Der Überbegriff ist ja dann eben Rope oder Shibari Play, wie auch immer. Ist es ein Gefühl, was da entsteht, oder sind es mehrere Gefühle.

Wir wollen halt mit dem Museum verschiedene Kings und Fetische darlegen, aber auf eine Art und Weise, das wir es so neutral formulieren und präsentieren, das wir eben sagen: Es ist nicht unsere Meinung, weil wir keine Stellung dazu nehmen wollen. Dann wäre es irgendwie irgendwann mal aus Versehen Kink shaming, und das ist ja nicht unsere Art und Weise. Deswegen möchten wir auch andere Leute wie du und ich und jeden einladen, dass diese Person eben ihren Kink präsentiert in Form von Texten und Erfahrungsberichten. Aber was auch eben ganz schön wäre, dass während der Session Fotos entstehen.

Da sieht man dann was passiert mit den Emotionen. Was passiert im Gesicht? Das macht es dann greifbarer für einen, um das zu verstehen. Ist das ein Kink? Ist das ein Fetisch? Was empfindet denn die Person dabei? Ich glaube, das ist das, was uns ja auch berührt, warum wir alle eigentlich glücklich sind, wenn wir BDSM betreiben. Wir haben alle etwas, wofür wir brennen, weil es uns allen gefällt und weil es eine extreme Intimität auch darlegt. Wir offenbaren ja auch mit diesen Session-Fotos und diesen Geschichten eine extreme  Form von Intimität. Und die dann offen für, sag ich jetzt mal, Vanillas oder wen auch immer darzulegen, damit die nachvollziehen können, wieso das so toll oder so schön ist, ich glaube, das ist eher so unsere Motivation.

Nika:             Das heißt also, wenn man sich das vorstellt – ein Museum hat ja immer Themenbereiche. Ich war mal in Amsterdam in einem Sex-Museum. Das war sehr interessant. So eine riesen Wand mit Vaginas habe ich noch nie gesehen. War super spannend, wie viele verschiedene Vaginen es gibt. Ist ein BDSM Museum auch variantenreich?

Janus:           Das Venus-Museum?

Nika:             Ich weiß gar nicht. Das ist schon so lange her. Da muss man hinter einen Vorhang gehen, um in die Sodomie-Abteilung zu kommen. Das war sehr verwirrend. Das lassen wir jetzt mal außen vor. Aber das war immer themenbezogen. Wie habt ihr das vor bei eurem BDSM Museum?

Janus:           Wir haben zur Anfangsausstellung, mit denen wir starten wollen, vier Themenbereiche. Das ist zum einen eine Einführung in das Thema, wo man Begriffe erklärt, wo man vermittelt: Woher kommen Neigungen? Wie entwickelt sich das? Woher kommen Abneigungen? Warum fühlen manche Menschen Scham oder Ekel oder Angst damit? Was gibt es für Wissen zu Einvernehmlichkeit. Wie hat sich das entwickelt? Hygiene und Sicherheit! Einfach, um den Leuten Erkenntnisse aus der Psychologie zu zeigen und dass das normale Vorgänge sind, wie andere „Hobbies“ auch. Der zweite Bereich ist dann die Kulturgeschichte von BDSM.

Viele Inhalte werden aufgrund des Buches sein, aber auch noch andere zusätzlich für den europäischen Raum und für die europäische Szene ausgearbeitete Inhalte. Der dritte Teil ist genau diese Intimität, die Solea vorher erwähnt hat, wo wir wirklich anhand von Geschichten und Personen, die sich oder etwas von sich dort zeigen wollen, vermitteln, dass das Thema ein schönes Thema ist oder sein kann. Der dritte Teil soll natürlich emotional und inhaltlich der wichtigste sein, um für das Thema Akzeptanz zu fördern und diese Kultur zu vermitteln, um nicht nur ein abstraktes Geschichtsmuseum oder irgendwas pädagogisch Lehrreiches zu sein. Es soll möglichst wirklich diese Intimität und das Besondere, was BDSM für viele ausmacht, in seiner Vielfalt zeigen.

Ja, und als Letztes kommt dann noch eine Abrundung mit Objekten, Gegenständen, Uniformen, Latex, Leder und Kunst. Damit das Ganze dann wieder ein bisschen abstrakter wird. Die touristenwirksamsten Sachen, also Gegenstände wie ein Käfig oder ein Flogger, den man verwenden kann, zeigen wir am Ende und nicht davor schon, damit die Leute emotional und geistig quasi darauf fokussiert sind, erstmal dem Thema neutral zu begegnen und sich einzulassen auf die Intimität und Vielfalt, die das Thema für viele Menschen hat. Erst dann kann man ein bisschen Gegenständlicheres haben, mit dem man auch interagieren kann, auf ein Polster schlagen kann mit dem Flogger oder so, wenn man das möchte, oder in den Käfig reingehen.

Das ist ja dann für manche vielleicht sehr aufregend. Wir machen das nicht nur deshalb, aber das ist natürlich auch ein Teil, das erlebbar zu machen, soweit das vernünftig möglich ist, ohne irgendwie zu provokant zu sein. Es soll bewusst die Akzeptanz fördern und diese Kultur vermitteln. Es soll keine Touristenattraktion sein. Deswegen wollen wir den letzten Raum so, dass auf der einen Seite ein paar aufregende Sachen sind, auf der anderen Seite Kunst, um das Ganze wieder abstrakter zu machen. Damit wollen wir zeigen, dass das Thema einfach so vielfältig ist und so viele Bedeutungen, Perspektiven und Interpretationszugänge zulässt.

Nika:             Ja gut, man darf solche Dinge ja auch ausstellen, die da einfach zugehören – Seile, Flogger, Peitschen. Die gehören ja nun mal dazu.

Janus:           Ja, definitiv.

Nika:             Es ist eben nur ein bisschen verloren gegangen, der eigentliche Sinn für viele. Zu einer Domina gehört ein Peitschenschlag! – Ja, aber halt nicht nur.

Janus:           Wenn man zuerst die Peitsche zeigt, dann sind da schon so viele Assoziationen, bevor man überhaupt mal vermittelt, was das bedeutet. Wie macht man das, in welchem Kontext? Da geht ein bisschen schon die Interpretation verloren, glaube ich. Deswegen kommt das erst am Schluss.  Natürlich beim dritten Teil sieht man ja auch grafisch viel, liest viel. Aber das soll immer im Kontext der persönlichen Geschichte von Menschen sein, die zeigen, wie das für sie bereichernd ist.

Nika:             Wo kommen die ganzen Inhalte und Objekte für das BDSM Museum her?

Solea:            Die haben wir teilweise durch Bekannte, Freunde, durch uns, aber halt auch durch Interessenten, die was spenden wollen. Wir sagen auch immer, jeder der was spenden möchte, kann das auch sehr gerne. Egal ob Objekte oder Erfahrung oder Session-Bilder – wir sind dankbar für alles. Wir hatten auch schon Gegenstände aus Kanada zugeschickt bekommen durch einen, sag ich jetzt mal, Kooperator, der auch Fotograf ist und bei uns mitmachen möchte. Der ist gerade ins Ausland umgezogen und hat dementsprechend ein paar Gegenstände für uns quasi gespendet.

Man denkt sich immer: Mmh, ja, wer möchte bitte schön seine Gegenstände, die er heiß und innig geliebt hat, hergeben? Zu den Gegenständen sind ja auch Stories dahinter. Da ist das eine oder andere, geliebte Exemplar mit dabei. Da kann es auch sein, dass es vielleicht durch eine Trennung von einem DS-Couple plötzlich das Halsband von der Dame oder dem Herrn gibt. Die Gegenstände haben ja auch eine Geschichte. Wir sind eben sehr, sehr begeistert, dass viele in irgendeiner Weise etwas dazu liefern möchten.

Janus:           Es ist sehr zeitintensiv, mit Leuten in Kontakt zu treten. Was brauchen wir für’s Museum? Wir haben schon einiges, und wir würden jetzt eine passable Ausstellung hinkriegen. Aber es ist immer gut, wenn wir eine umfassendere Auswahl haben an einem Pool von Bildern, Gegenständen, Geschichten. Das ist wirklich wichtig, um das Thema einfach besser und adäquat zu präsentieren für die Community. Deswegen suchen wir immer nach weiteren Inhalten, Gegenständen, Geschichten und Menschen, die auch mitmachen und mithelfen wollen, das Museum mit zu gestalten.

Nika:             Ihr finanziert das auch nur durch Spenden, oder? Das ist ja so ein non-profit-Ding, oder?

Janus:           Genau!

Nika:             Das heißt, wir müssen unbedingt einen Link in den Show Notes setzen, wo die Leute für das BDSM Museum spenden können.

Janus:           Die gemeinnützige Gesellschaft ist im Moment in Gründung. Wenn sie eingetragen ist, ab dem Zeitpunkt kann ich die Spenden quasi für die Gesellschaft entgegennehmen und auch Spendenquittungen ausstellen. Das kann man dann schön von der Steuer absetzen. Der deutsche Fiskus unterstützt uns da tatkräftig, indem er sagt, dass Kulturvermittlung und Akzeptanzförderung zu BDSM gemeinnützig ist und im Dienste der Gesellschaft steht. Dazu habe ich ein amtliches Schreiben, dass das, was wir tun, gut ist für die Gesellschaft.

Nika:             Hätte man das gedacht?

Janus:           Das war mir auch sehr wichtig, darum zu kämpfen. Ohne Gemeinnützigkeit ist das wieder so ein Kommerzprojekt, dann wird man gleich wieder belächelt, weil man nur Geld damit machen möchte oder so. Damit ist es viel schwieriger, wirklich auch zu vermitteln, dass das Thema etwas Seriöses ist. Deswegen ist es für mich extrem wichtig, dass das gemeinnützig ist und bleibt.

Nika:             Ich habe auch schon gesehen, ihr habt ja schon echt gute, namhafte Supporter. Wenn man Matthias Grimme oder so liest, da denkt man sich: Ach, guck mal.

Janus:           Ich habe ja doch auch den einen oder anderen Kontakt, wenn man Stammtische macht, Veranstaltungen leitet und sich ein bisschen engagiert. An Matthias Grimme geht in Deutschland nichts vorbei, wenn es um die BDSM-Szene von früher geht und um die Erfahrungen von Menschen, die das gemacht haben zu einer Zeit, als es noch extrem schwierig war, gute Informationen zu dem Thema zu bekommen. Daher ist er im Kontext mit dem BDSM Museum nicht wegzudenken. Ich glaube, da muss man einfach Respekt haben vor der Generation, die zwar nicht so wie wir verwöhnt ist mit Internet und Informationen von überall, aber die einfach extrem viel Energie reingesteckt haben, sich das Thema selber zu erarbeiten so gut es geht und mit ihrer eigenen Leidenschaft und Einfühlsamkeit schauen, wie man das gut für sich und seinen Partner machen kann.

Solea:            Wenn wir eben das Projekt bei Interessenten vorstellen, dann kommt generell immer schon dieses „Oh, ja, genau das brauchen wir eigentlich! Das braucht die Szene, das braucht unsere Kultur.“ Jeder merkt, weil er wahrscheinlich aus eigener Erfahrung schon Diskriminierung in dem Bereich erfahren hat, wenn er sagt: Oh ja, übrigens, wir machen das und das zuhause oder in unserer Freizeit. Das betrifft doch jeden, es sei denn, es ist vielleicht ein dominanter Mann. Dann ist es immer dieses: Jaja, ist klar. Das gehört zum Mannsbild – sag ich jetzt mal. Wenn aber die Frau die dominante ist, dann wird es schon wieder kritisch. Dann ist es dieses: Jaja, ist ja klar. Domina! Das hatte ich auch in meiner Kindheit oder meiner Jugend. Da hat man mir auch immer gesagt von wegen: Du wirst mal als Domina enden.

Nika:             Jetzt trägst du aber ein Halsband – nur so nebenbei!

Solea:            Man hat ja zwei Gesichter, ne? Ich habe mich nicht ganz strickt an diesen Vorsatz gehalten. Ich switche. Diese Stereotypen, mit denen man im Alltag kämpft, oder eben mit diesen Klischees, wenn es um BDSM geht, das ist das, wo man merkt: Okay, es ist ein gemeinsamer Nenner da, viele haben es selber auch schon erlebt. Wir denken nicht in Traumwelten und sagen: Ja klar, mit unserem Museum werden wir das komplette Deutschland bekehren. Nee, ganz so verträumt sind wir dann doch nicht.

Aber zumindest bietet man eine Plattform, wo man sich damit auseinandersetzen kann und eben auch überlegen kann: Okay, sind diese Vorurteile, die ich habe, berechtigt? Haben die Hand und Fuß? Was treibt die Menschen dazu, das auszuleben. Vielleicht geht man dann raus und reflektiert sein eigenes Sexualleben und merkt: Vielleicht Popo-Klatschen, was ich meiner Frau gebe, gehört vielleicht auch dazu, zum Beispiel. Oder wenn ich gerne eine Maske trage – fernab von Corona natürlich. Dass man sich einfach selber reflektiert.

Nika:             Das darf man auch gar nicht unterschätzen, was ihr da macht. Ich sehe das ja selber anhand von meinem Podcast. Es kommt immer mehr, dass Leute mir schreiben: Hey, ich hatte vorher gar keinen Bezug dazu, und auf einmal doch, weil man so Klischee-behaftet war bis dato. Dann kommen da auf einmal meiner oder andere Podcasts oder so wie ihr, die dann einfach den Leuten mal eine Plattform bieten: So sehen wir das! Das bieten wir euch! Guckt es euch gerne an! Deshalb glaube ich schon, dass das sehr, sehr wertvoll ist, was ihr da macht mit dem BDSM Museum.

Janus:           Danke!

Solea:            Danke schön!

Nika:             Wie sind die Reaktionen bisher? Habt ihr da schon Unterschiede gemerkt? Gibt es da auch Leute die sagen: Ihr seid ja bescheuert mit eurer Idee ein BDSM Museum öffnen zu wollen! Oder wie ist das bisher so?

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Warum macht sie das?

  • aktuell: BDSM greifbarer machen
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  • Mit knallharter Wahrheit und derzeit jeder Menge Fakten über die schwarz-bunte Welt der BDSM Szene