#86 Nika zieht blank – Interview mit meiner Mama Teil 1

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Eine Domina spricht mit ihrer Mama darüber, was sie tut? Jap. Heute habe ich wieder einen besonderen Gast bei mir, und ich würde behaupten, dass dieses Interview nicht nur für mich was ganz Besonderes ist, sondern dass es auch recht hilfreich für viele sein kann. Diese Frau kennt mich von allen am längsten, denn heute spreche ich mit meiner Mutter!

Nika:             Hallo Mama.

Mama:          Hallo Maus.

Nika:             Wie ist das für dich, hier mit mir zu sitzen und meine Fragen zu beantworten?

Mama:          Eine ganz neue Erfahrung, würde ich mal sagen. A) habe ich noch nie in einem Tonstudio gesessen, vor einem Mikro. Und an sich über das Thema mal zu reden ist bestimmt nicht verkehrt.

Nika:             Ja, das glaube ich dir gerne. Ist auch schön, dass du mitgekommen bist. Passend zum Jubiläum ist es was ganz Tolles für mich, da einfach mal mit meiner Mama drüber zu sprechen. Weil, es ist ja nicht nur so, dass du meine Mama bist, sondern dass du ja sozusagen mitarbeitest bei diesem ganzen Projekt, bei dem Podcast. Du kriegst alles aus erster Hand mit, denn du schreibst ja auch meine Podcast-Folgen runter, sprich, du bist immer die Erste, die das mitbekommt, die die Folgen zuerst hört und die sie dann runterschreiben muss. Ich kann es ja kaum erwarten, dich die Fragen zu stellen, die mit Mutter und Tochter was zu tun haben, aber erstmal würde ich gerne wissen: Wie ist das für dich, diese Folgen zu schreiben?

Mama:          Sehr interessant, sehr aufschlussreich. Man lernt immer noch dazu. Ich gehöre ja nun mal zu einer Generation, da war das alles noch ein bisschen anders. Auch als ich in deinem Alter war, war das ja alles noch ein bisschen mehr unter so einem Deckel. Deswegen ist es schon sehr interessant, auch viele verschiedene Facetten kennenzulernen, was man so mitkriegt. Ist schon nicht verkehrt.

Nika:             Erzähl mal gerne zum Thema BDSM. Wahrscheinlich hat dir das am Anfang gar nicht so viel gesagt. Das hast du ja durch die Folgen und auch durch Gespräche mit mir erstmal mitbekommen, was das überhaupt ist. Gab es früher, in eurer Zeit, du bist ja jetzt noch jung – trotzdem – aber gab es dieses Thema? Wurde das früher tabuisiert oder gab’s das schon? Habt ihr da irgendwie was mitbekommen.

Mama:          BDSM bewusst habe ich wirklich erst durch dich mitgekriegt. Das kannte ich überhaupt nicht – diesen Ausdruck alleine schon gar nicht. Da habe ich dich, glaube ich, am Anfang mal gefragt oder ich habe es gegoogelt. Ich weiß es nicht mehr genau. Kannte ich nicht – definitiv nicht. Das war was Neues.

Nika:             Ich habe immer gedacht, eure Zeit war ja so Flower Power Zeit. Wie heißt der: Oswald Kolle?

Mama:          Oswald Kolle, ganz genau!

Nika:             Da habe ich immer gedacht: Naja, wenn du das deiner Mama erzählst, dann wird sie zumindest mal zu dem ganzen Thema ‚sexuelle Freiheit‘ und so was sagen können. Das war ja schon bei euch so ein Thema.

Mama:          Ja gut, Oswald Kolle – 1967 kam der erste Film von ihm raus. Das war „Das Wunder der Liebe“. Da hat er acht Stück draus gemacht. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch natürlich Fragen, logischerweise. Meine Eltern waren das erste Mal im Kino. Kino war ja früher eigentlich auch mehr oder weniger was ganz besonderes.

Und ich kann mich dran erinnern, dass die gesagt haben, sie wären im Kino. Ich habe dann gefragt: Welcher Film? Das ist nichts für dich! Das weiß ich noch ganz genau. Dann habe ich meine großen Brüder gefragt, die ja auch neun und zehn Jahre älter sind. Die haben mir dann auch gesagt: Das ist nichts für dich.

Dann war das Thema erstmal durch. Sexualität gab’s zu meiner Zeit damals noch nicht. Das fing so langsam an, als ich dann angefangen habe rauszugehen, unter anderem auch mit einem meiner ‚großen‘ Brüder. Da kam das dann so ein bisschen mehr in die Richtung, dass man mal ein bisschen was mitkriegte. Aber das wurde schon sehr unterm Deckel gehalten. Muss ich gestehen. Das war eigentlich immer ein Tabuthema.

Nika:             Also 1967, das können wir ja jetzt mal kurz sagen, da warst du zehn. Da hattest du noch nicht so die Berührung mit. Später, wo du älter wurdest, hast du mitbekommen, dass das immer mehr immer offener wird? Oder hast du das gar nicht mitbekommen und erst durch mich so erkannt: Okay, krass.

Mama:          Nee, also Oswald Kolle hat schon einiges bewirkt. Das war also schon eine Sache, wodurch dieses Thema auch mal offen besprochen wurde. Das war ja auch der Sinn der Sache. Sein Plan war auch damals gewesen, dass die Menschen einfach mal freier über dieses Thema reden. Und ein bisschen offener wurde das eigentlich zu meiner Zeit, als ich dann angefangen habe, wie gesagt, rauszugehen. Mit dem ersten Freund logischerweise. Aber BDSM war es einfach nicht, sondern allgemein das Thema Sexualität.

Das kam dann so ein bisschen mehr raus, zumindest bei uns. Ich habe ja nun auch nicht in der Großstadt gewohnt. Da wurde man ja auch nicht so sehr damit konfrontiert, sondern das hat sich so langsam entwickelt. Dann natürlich in der Schule, mit den Schulkollegen. Da kamen mal dumme Bemerkungen. Dann hat man sich da halt mit befasst und hat das dann mal versucht nachzulesen. Google gab’s ja leider nicht. Da musste dann immer entsprechende Bücher finden, wo man mal gucken konnte.

Nika:             Oder die Bravo!

Mama:          Oder die Bravo! Zum Beispiel Dr. Sommer!

Nika:             Die gab’s ja bei euch auch schon, ne?

Mama:          Die habe ich auch gelesen. Die durfte ich sogar lesen. Hat Mama sogar erlaubt. Das war also kein Thema. Die habe ich mir jede Woche gekauft von meinem Taschengeld. Das war natürlich Nummer 1, klar.

Nika:             An dieser Stelle kann man kurz sagen: Meine Oma war auch sehr, sehr cool drauf. Deine Mama – ich weiß jetzt nicht, wie sie reagiert hätte, wenn ich es ihr gesagt hätte. Aber ich glaube, was schätzt du? Wie hätte sie reagiert? Wahrscheinlich hätte sie gedacht: Was machst du?

Mama:          Ja eben!

Nika:             Sie hätte da wahrscheinlich gar nichts gewusst. Aber am Ende hätte sie wahrscheinlich gesagt: Mach Kind.

Mama:          Genau. Sie hätte wahrscheinlich erstmal gefragt: Was ist das? Was musst du da machen, oder so. Dann hätte sie wahrscheinlich gesagt: Ja. Ist halt so. Sie war ja nie so wirklich verklemmt oder verbohrt oder wie auch immer. Ich meine gut, wenn man vier Jungs nebenbei großzieht! Wie gesagt, die beiden älteren, ja doch eine Nummer älter als ich. Opa war ja auch recht locker, also mein Vater.

Nika:             Das ist so lustig, mit dir darüber zu sprechen.

Mama:          Ja, aber war doch so. Opa war doch auch recht schmerzfrei in vielen Dingen. Von daher. Das ist auch nie wirklich tabuisiert worden. Ja gut, bei manchen Dingen wurden die dann schon ein bisschen verlegen, wenn man mal drüber gesprochen hat, als wir dann älter waren. Wenn man offen mal irgendwas gesagt hatte, aber ansonsten waren die recht schmerzfrei. Das war schon ganz gut.

Nika:             Wenn man jetzt mal so weiter denkt: Okay, erste Momente. Wie habt ihr über Verhütung gesprochen? Konntest du das mit Oma?

Mama:          Da ist mir vorhin noch unterwegs hierhin eingefallen: Sie hat mir mal, als ich das erste Mal meine Periode hatte, ein Buch in die Hand gedrückt: Woher kommen die kleinen Jungen und Mädchen?

Nika:             Ach nein.

Mama:          Das Buch habe ich, glaube ich, sogar noch. Das habe ich aufbewahrt. Muss ich mal gucken, ob ich das noch wiederfinde.

Nika:             Hast du uns gar nicht gegeben. Das wäre lustig gewesen.

Mama:          Nee, das war ja auch bei euch ein bisschen anders.

Nika:             Witzig.

Mama:          Dann fing es auch mit Sexualkunde-Unterricht in der Schule an zu der Zeit. Moment, mit zwölf war ich auf dem Gymnasium. Ja, da hatten wir den ersten Sexualkunde-Unterricht. Der war sicherlich etwas anders als heute. Heute sind die, glaube ich, noch ein bisschen offener als damals. Aber das war für uns schon die Nummer eins. Oma hat gesagt: Wenn du Fragen hast, frag mal. Aber das habe ich mich nie so wirklich getraut. Ich weiß gar nicht, ob sie mir die hätte beantworten können, weil die vielleicht einfach ein bisschen zu weit gegangen wären, rein biologisch oder so. Das weiß ich nicht.

Nika:             Also ich muss ja sagen, das weißt du ja auch, dass ich, als ich in Hamburg gewohnt habe, in diesem Swingerclub gekellnert habe. Das ist so ziemlich das erste, was mir aufgefallen ist. Eigentlich waren da mehr von deiner Generation als von meiner. Kannst du dir vorstellen, woran das liegt? Wenn man jetzt mal so zurück denkt. Eure Aufklärung, eure Zeit. Das läuft doch noch ein bisschen unter dem Scheffel. Aber warum, glaubst du, dass da doch immer relativ viele ältere – nicht ältere – du weißt …

Mama:          Da muss ich jetzt nochmal fragen: Wann bist du nochmal nach Hamburg gegangen?

Nika:             Das war 2013.

Mama:          2013, also vor acht Jahren. Vielleicht einfach Neugier. Einfach ausprobieren?

Nika:             Glaubst du, dass die was nachholen?

Mama:          Ja, kann ich mir gut vorstellen. Man muss nicht mehr diese Scham und diese Hemmungen haben. Man kann jetzt einfach mal offen irgendwas ausleben, was man jahrelang unterdrückt hat. Kann ich mir schon vorstellen, ja.

Nika:             Weil das ist wirklich etwas, das war so krass, dass mir das aufgefallen ist. Da waren mehr ältere Konstellationen als so in unserem oder meinem Alter.

Mama:          Finde ich jetzt faszinierend, dass du das sagst. Aber vorstellen kann ich mir das durchaus. Auf jeden Fall.

Nika:             Ja guck mal. Was nachholen, das könnte das sein.

Mama:          Weil ja immer alles freier wurde. Ich meine, 1987 hat ja Erika Berger auch dafür gesorgt. Ich weiß nicht, ob dir das was sagt? Die hat ja so eine Show gehabt, wo dann auch Leute aus dem Publikum Fragen stellen konnten, die sie dann ganz offen beantwortet hat. Das hat natürlich auch dazu beigetragen, dass das alles immer offener wurde. 1987, als du geboren bist, das ist ja auch dreißig Jahre her, oder etwas über dreißig. Aber es hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass die Leute alle freier wurden. Das würde diese Sache ja dann auch erklären, dass durch diese ganze Entwicklung im Laufe der Jahre die Leute einfach gedacht haben: Egal, jetzt versuche ich es einfach mal.

Nika:             Gab es denn auch zu der Zeit oder später – kannst du dich an irgendwas erinnern? Erika Berger ist ja wahrscheinlich auch sexuelle Aufklärung gewesen. Aber dieses BDSM-Thema, wie man das so kennt, mit Leder, mit Latex oder so exotischere Sachen – kannst du dich erinnern, dass da irgendwann mal was gewesen ist?

Mama:          Nee, also nicht wirklich. Ich meine, Christopher Street Day – ich weiß nicht, wie lange es den schon gibt. Das ist mir auch nicht so bewusst. Wann das gewesen ist, weiß ich nicht. Wie gesagt, BDSM hat mir gar nichts gesagt. Ja gut, Lack und Leder, ich habe ja in Duisburg gearbeitet. Da ist man dann abends schon mal durch die Altstadt gegangen. Da war auch ein Bordell und da hat man dann schon mal verschiedene Sachen gesehen wo man gedacht hat: Okay, was ist das denn jetzt? Wie die Damen dann auch angezogen waren. Aber wirklich bewusst kann ich das gar nicht sagen.

Nika:             Wäre mal interessant zu erfahren, wo das dann am Ende herkam. Von sexueller Freiheit hin zu wirklich „spezielleren“ Praktiken. Das muss ja irgendwie passiert sein, dass dann irgendwie doch die älteren Herrschaften in diesen Clubs auch waren. Im Swingerclub kannst du natürlich auch ganz normal Sex haben, aber da kannst du ja auch den BDSM-Bereich mit reinbringen.

Mama:          Ich meine, gut, dass sich diese Clubs entwickelt haben, das habe ich mitgekriegt, wie gesagt, als ich in Duisburg gearbeitet haben. Damals war ich zwanzig, so um den Dreh rum. Da kriegt man schon mit, dass da verschiedene Clubs aufgemacht haben. Nur ich habe nie den Mut gehabt, da reinzugehen – muss ich gestehen. Ich habe auch nie den Mut gehabt, meinen Bruder zu fragen, mich mal mitzunehmen. Hätte er wahrscheinlich gemacht, wir kennen ihn …

Nika:             Ich habe so Bilder im Kopf, ja! Mein Onkel, der ist ein bisschen speziell, aber super!

Mama:          Genau. Durch ihn bin ich ja auch relativ locker geworden. Er hat mich ja schon mal öfter mitgeschleppt in irgendwelche … Diskotheken waren es sicherlich nicht, das waren dann eigentlich auch eher so Nachtclubs.

Da musste ich suchen, wo er dann gerade geblieben war, und so und sehen, dass ich nach Hause komme. Da bin ich schon recht schmerzfrei groß geworden. Aber wie gesagt, mit diesen Clubs das habe ich eigentlich bewusst mitgekriegt in Duisburg, als ich da gearbeitet habe.

Das war ja bis 1979, da bin ich ja von Duisburg weg. Dann war das eigentlich so ein bisschen out, dass ich da überhaupt noch was von mitgekriegt habe. Da muss eigentlich so die Zeit gewesen sein, als sich das so ein bisschen in die Richtung entwickelt hat. Also da würde ich jetzt sagen, aus der Erinnerung heraus war das so die Zeit, wo das dann so in den 80er Jahren aufwärts ging. So könnte ich mir das vorstellen. So hätte ich das jetzt eingeschätzt.

Nika:             Und dann kommt im Dezember 2019 deine Tochter zu dir und offenbart sich. Kannst du dich da noch dran erinnern an den Tag, wo ich zu euch gefahren bin und gesagt habe: Ich muss jetzt  mal euch was sagen!

Mama:          Sagen wir mal, als du nach Hamburg gegangen bist, da weiß ich noch, da habe ich zu dir gesagt: Wenn du da auf die schiefe Bahn gerätst, von wegen Reeperbahn … ich war ja mit dir in Hamburg, habe die Wohnung gesehen und wusste ja, wo du da landest … habe ich ja gesagt:

Ich hol dich da raus, egal wo du da landest, wenn es hart auf hart kommt.

Aber da eigentlich immer ein sehr vernünftiger Mensch gewesen bist und uns das da abends erzählt hast, habe ich da überhaupt nicht drüber nachgedacht. Ich habe gedacht: Okay, das ist jetzt eine Richtung, da hast du jetzt gar nicht mit gerechnet. Aber ich fand’s jetzt nicht schlimm.

Und ich weiß, dass wir auch noch drüber gesprochen haben, welche Hintergründe das hat und was du da genau machst. Das hast du uns ja auch alles erklärt. Für mich war das – nach der ersten Überraschung – okay. Ich habe nur gedacht: Okay, immer schön auch mal mit ihr reden. Fand ich jedenfalls wichtig, was sie genau macht, und immer mal so ein bisschen hinterfragen. Das habe ich ja, glaube ich, auch gemacht. Und du hast ja auch immer offen und ehrlich geantwortet. Ich hatte auch nie den Eindruck, dass du irgendwas machst, was du uns verheimlicht hast. Das fand ich auch sehr gut, muss ich sagen. Und ich habe da nie ein Problem mit gehabt.

Nika:             Haben wir an dem Abend nicht sogar festgestellt oder vereinbart, dass du die Folgen schreibst? Ich weiß das gar nicht mehr genau.

Mama:          Ja.

Nika:             … damit du ein besseres Feeling dafür kriegst, was ich da eigentlich mache. Dass du die Blogg-Artikel schreibst – indem du sie schreibst – dass du da ein bisschen mehr Einsicht bekommst.

Mama:          Ja, du hast gefragt, ob ich das machen würde. Ich schreib ja nun mal gerne und relativ gut. Da habe ich mich natürlich auch drüber gefreut, dass ich das machen durfte, weil ich dann eben, wie du schon sagst, diesen Einblick gekriegt habe.

Nika:             Aber wie war das so als Mutter? Ich meine, ich bin ja die Zweitgeborene von zweien. Hast du dir Sorgen gemacht am Ende, wo wir das Gespräch geführt haben? Oder waren da irgendwann nochmal so Momente, wo du gedacht hast: Ist das gut, was sie da macht? Wie war das? Im Endeffekt war ich ja bis dahin schon sehr, ich sag mal jetzt – blöd gesagt – so ein Vorzeigekind: Abi, Lehre, Studium. Da war alles schick, alles toll. Jetzt kommt sie da mit sowas um die Ecke.

Mama:          Ich war überrascht, dass du diejenige bist, die weggeht und irgendwie was Besonderes macht. Ich hatte eher ursprünglich gedacht, dass wäre andersrum. Aber das war jetzt nicht unbedingt schlimm für mich. Ich habe halt einfach nur gedacht: Ja gut, mal ein Auge draufhalten und einfach helfen. Und immer da sein, wenn irgendwie was ist. Das war für mich wichtig. Angst? Ich hatte einfach Angst, dass du mal an den Falschen gerätst, wie man das schon mal in den Medien hört, dass dir mal irgendeiner wirklich was Übles antut oder wie auch immer. Vielleicht habe ich mich auch ein bisschen zu oft gemeldet per Handy und wissen wollte, wie es dir geht. Das weiß ich nicht.

Nika:             Nein, hast du nicht. Alles gut.

Mama:          So ab und zu mal nachfragen, wenn du dich mal zwei Tage nicht gemeldet hast oder drei. Da habe ich schon manchmal gedacht: Mmh, alles gut? Aber im Großen und Ganzen nee, also fand ich absolut okay.

Nika:             Konntest du mit dem Begriff Domina direkt was anfangen?

Mama:          Ja, das wusste ich, was das ist. Also zumindest, dass das eben dominante Frauen sind, die Männern irgendwelche Wünsche erfüllen. Das wusste ich wohl, ja.

Nika:             Hast du denn gedacht, ich prostituiere mich auch? Also mit Körperkontakt und richtig …

Mama:          Nee, das habe ich eigentlich nie wirklich befürchtet, weil du mal gesagt das, das wäre nichts für dich. Da habe ich mich drauf verlassen. Nee, da habe ich eigentlich nie Angst gehabt. Das wäre schon eine Sache gewesen, da hätte ich Probleme mit gehabt. Das muss ich sagen. Ich glaube, da hätten wir dann auch vielleicht mal ein bisschen Stress gekriegt. Aber da habe ich nie Angst drum gehabt. Echt nicht.

Nika:             Ich kann mich noch erinnern, bei dir flossen ja auch Tränchen. Was waren das für Tränen? Waren das eher so Freudentränen, dass ich euch das sagen kann? Weißt du noch? Ich war ja sowieso fix und fertig und am Heulen, aber du ja auch. Was war denn das? Kannst du dich daran erinnern?

Mama:          Ja, ich glaube, das war einfach die Erleichterung, weil Papa ja auch entsprechend reagiert hat. Ich hatte so ein bisschen Angst, dass er da vielleicht ein Problem mit hätte, und dass das Thema einfach mal angesprochen wurde auch, was du wirklich machst, damit wir auch Bescheid wussten. Das war glaube ich einfach für mich eine Erleichterung auch.

Nika:             Wir können ja mal kurz anreißen. Bei meinem Vater war das ja so, der ist ja nicht so entspannt groß geworden wie du. Erzähl mal in Kurzform. Wie ist Papa denn groß geworden? Warum hast du dir so „Sorgen“ oder Gedanken gemacht, dass er da anders reagieren könnte?

Mama:          Weil er einmal der große Bruder war von seiner Schwester, die ja nun mal zehn Jahre jünger ist als eher? Dann die familiären Probleme zuhause! Da hatte er natürlich in der Jugend andere Sorgen und ist in der Beziehung gar nicht in Kontakt gekommen mit irgendwelchen Dingen in dieser Richtung. Ich meine, er hat mal so Schoten erzählt, er wäre mal im Bordell gewesen. Da warst du ja ganz erstaunt.

Nika:             Ja! „Waasss, Papa!“

Mama:          Eben, da war ich auch ganz erstaunt. Aber halt einfach nur mal gucken. Da waren jetzt nicht irgendwie Kontakte zu irgendwelchen …

Nika:             Selbst wenn, mein Gott!

Mama:          Jaja, eben, ganz genau. Aber da hatte ich so ein bisschen Bedenken, weil er, wie sagt man das jetzt, wie nennt man das denn, wenn man so streng erzogen wurde … und sehr ‚konservativ‘ eingestellt ist. Da habe ich Angst gehabt, dass er dir Stress macht. Und da er ja auch recht locker reagiert hat, deswegen waren das wahrscheinlich irgendwie so Erleichterungstränen oder Freudentränen, oder wie auch immer. Dass das alles so gut lief. Ich habe einfach immer gedacht, ich muss dir einfach helfen, für dich da sein, und das ist der beste Weg, ne?

Nika:             Wie war das denn für dich, als ich dir dann gesagt habe: Ja, ich bin zum einen Domina, aber ich mache da ja noch was anderes, habe da noch was anderes mit vor. Wie war das für dich überhaupt. Wahrscheinlich hat dir ja der Begriff ‚Podcast‘ gar nicht so viel gesagt.

Mama:          Gar nicht, nö!

Nika:             Wie war das denn für dich, als ich dir gesagt habe, dass ich da halt innerhalb eines Podcasts drüber rede, dann auch mein Buch schreiben will, auf die Bühne damit will und das Ganze so ein bisschen öffentlich machen möchte.

Mama:          Fand ich cool, fand ich einfach nur cool. Weil das einfach der richtige Weg ist auch, an die Öffentlichkeit zu gehen und, wie gesagt, auch aus anderer Perspektive diese ganze Sache zu machen, mit einem anderen Hintergrund. Um Menschen zu helfen, um zu zeigen: Hallo Leute, das ist alles gar nicht so schlimm, wie ihr immer tut. Man kann da ganz normal mit umgehen. Man muss da keinen Stress machen. Ich fand das gut, muss ich sagen.

Nika:             Hast du durch das Schreiben der Folgen selber auch manchmal so Momente wo du denkst: Ach krass, hätte ich gar nicht gedacht, dass das auch BDSM ist. Oder auch anhand der Interviews, die ich so geführt habe. Wie war das für dich, das zu schreiben?

Mama:          Interessant, weil man viel Neues dazugelernt hat. Da wir ja sehr behütet groß geworden sind und gar keinen Kontakt dazu hatten, wie gesagt. Ja, viele neue Perspektiven, viele neue Dinge, wo man gar keine Vorstellung von hatte, dass es die heute gibt. Ich war immer ganz heiß darauf, die zu schreiben, muss ich gestehen. Ich habe es auch immer sehr gerne gemacht, und ich habe manchmal auch wirklich laut schallend gelacht bei manchen Dingen, die du so gebracht hast. Es kamen zwischendurch auch mal die Tränen. Bei einer Folge war das, glaube ich mal, weiß ich gar nicht mehr so genau. Wo ich gedacht habe: Mmh, das war jetzt aber irgendwie ein bisschen hart. Aber es war ja, so, wie du das aufgezogen hast, gut. Man hat demjenigen ja auch geholfen. Ich weiß gar nicht mehr, welche Folge das war. Ich weiß nur, dass es so war.

Nika:             War das nicht die Folge, wo ich quasi davor stand, euch das zu sagen, wo ich da selber nur am Heulen war? Das war die, glaube ich.

Mama:          Kann gut sein, dass die das war.

Nika:             Aber das ist ja schön, das heißt, natürlich ist das nicht schön, wenn du weinst, aber so zu sehen, wie emotional das auf beiden Seiten so war. Ich glaube schon, dass das ein riesen Ding ist, sowohl für Mutter als auch für Tochter, zu sagen: So, Eltern, ich habe euch jetzt was zu sagen.

Mama:          Ja, aber ich finde es wichtig. Ich meine, die Kinder müssen ja ihren Weg gehen. Die Kinder sind ja da, weil wir die haben wollten. Und wenn die dann einen Weg einschlagen, der vielleicht nicht genauso geradeaus geht wie der eigene …

Nika:             Einschlagen … Entschuldigung, das war jetzt so Situationskomik!

Mama:          Ja, sagt man doch, Weg einschlagen … finde ich, ist es die Pflicht der Eltern, solange es im Rahmen des Akzeptablen ist, dazu zu stehen und den Kindern zu helfen. Ich meine, wenn du jetzt zur Mörderin geworden wärest, wäre das natürlich eine andere Nummer gewesen. Da hätte ich mal überlegt, ob ich was verkehrt gemacht habe. Aber warum? Du wolltest diesen Weg gehen, das war deine Sache. Wir hätten es dir doch nicht verbieten können.

Nika:             Ja gut, im Endeffekt ist es ja aber schon so, wenn man das mal neutral betrachtet, das Prostitutionsgewerbe. Und du weißt ja auch, dass ich diesen ominösen ‚Nuttenpass‘ habe.

Mama:          Wobei das deutsche Bürokratie ist, glaube ich.

Nika:             Ja genau, das wollte ich jetzt hören. Aber allein das. Das ist cool, dass du das so sagst. Klar, hätte ich jetzt gesagt, ich gehe auf den Strich, hätte ich das ja verstanden, dass ihr sagt: Auf gar keinen Fall. Wir holen dich da raus.

Mama:          Gut, das habe ich dir ja gesagt, das hätten wir auch gemacht.

Nika:             Genau. Aber das gehört ja schon alles so dazu, dass ich jetzt offiziell als Prostituierte gelte und auch Dinge mache, die jetzt nicht …. Also ich hätte euch ja auch sagen können: So Mama, Papa, ich mache mich jetzt mit einem Blumenladen selbstständig. Das wäre ja schon ein bisschen entspannter für euch gewesen wahrscheinlich. Das ist so krass, und das sagen mir auch heute immer noch Menschen, wie locker ihr das sagt oder wie locker ihr das seht, so in dem Maße. Selbst Papa hat ja gesagt: Maus, mach, hau rein. Ich oder wir unterstützen dich da. Kannst du dir vorstellen, dass es da auch andere Reaktionen hätte geben können? Ihr hättet ja auch sagen können: Mach, aber lass uns damit in Ruhe. Oder: Auf gar keinen Fall. Wir enterben dich … oder keine Ahnung was.

Mama:          Ach du lieber Gott. Nee, warum? Wie gesagt, ich bin der Meinung, wenn Kinder ihren Weg gehen, das müssen die wissen. Die müssen das verantworten, und man muss die soweit unterstützen wie es irgendwo für einen selbst vertretbar ist. Wenn sie Schwerverbrecher werden, hätte ich dich auch nicht mehr vertreten. Dann hätte ich auch gesagt: Nee, da ist Feierabend. Das mache ich nicht mit. Aber das sind Sachen – warum? Das ist ja jetzt nicht irgendwie was, wo du jemandem ernsthaft weh tust oder …

Nika:             ja doch … (schallendes Gelächter)

Mama:          … zumindest nicht gegen seinen Willen, oder jemanden gegen seinen Willen verletzt oder irgendwas machst, was jemand anderes nicht will. Das ist ja das Wichtige. Und wenn du für dich damit leben kannst, ist das doch absolut okay. Warum nicht? Finde ich gut.

Ein paar Schlagwörter

Warum macht sie das?

  • aktuell: BDSM greifbarer machen
  • Ermutigen auch einen Blick über euren Tellerrand zu wagen

Wie macht sie das?

  • Ausbruch - neue/alternative Wege gehen
  • Motivation und Inspiration durch Menschen, Momente und nimmersatte Neugierde

Womit macht sie das?

  • Mit Geschichten aus dem wahren Leben.
  • Mit eigener Erfahrung, die sie euch zu Nutze macht.
  • Mit knallharter Wahrheit und derzeit jeder Menge Fakten über die schwarz-bunte Welt der BDSM Szene